Auf der Reeperbahn, nachts um halb eins.....
Der vergangene Samstag war wohl einer der verrücktesten, die ich jemals persönlich erleben durfte. Noch vor zwei Wochen war der BVB mausetot, was das Rennen um die Meisterschaft anging. Doch dann strauchelte die Werkself, und wir fuhren wieder voller Hoffnung nach Hamburg zum letzten Auswärtsspiel der Saison. Auswärts war die Rückrunde unserer Götter leider nicht mehr so erfolgreich wie die Hinrunde - ein kümmerlicher Sieg beim Absteiger SC Freiburg stand auf dem Konto. Der war mit 5:1 allerdings beeindruckend.
Eigentlich war für dieses Spiel eine Aktion der Desperados geplant, doch am Freitag vor dem Spiel verbot der Hamburger SV die bereits fertig genähte Blockfahne, da sie aus brennbarer Baumwollen bestand. Dass der Hamburger SV höchst selbst eine Choreo aus brennbaren Papptafeln machte, sei nur am Rande erwähnt. Allerdings waren Doppelhalter und Fahnen erlaubt, einzig Fotoapparate und das Megaphon mussten draußen bleiben.
Parallel zur Blockfahne der DES, die einen Cowboy, sowie den Schriftzug "Desperados 1999" und "Dortmund" tragen sollte, wurde von "THE UNITY" und unserem kleinen Internetmagazin dazu aufgerufen, sich etwas Western-mäßig zu kleiden. Motto der Fahrt sollte sein: "Der wilde Westen zeigt heute in Hamburg, was er kann!". Daran beteiligten sich auch einige Fans, die nicht zu den "üblichen Verdächtigen" gehören.
Um 6:45 Uhr sollte es vom Busbahnhof in Dortmund losgehen, doch leider hatten die Herdecker Jungs und unser Webmastergott Dennis verpennt. So mussten wir noch knapp 30 Minuten warten. Die Borussen-Bulldogs hatten ihren Stammgästen die Hamburg-Fahrt spendiert und zwei Busse füllen können. Unterwegs wurde schon das eine oder andere Liedchen geträllert, und ein paar Gerstenkaltschalen vernichtet. An der ersten Raststätte versorgten sich alle Bekloppten mit Wasserpistolen und es kam zu einem denkwürdigen Gemetzel, die Rothäute wurden übelst zusammengeschossen, ehe uns Reiseleiter Ronny zusammentrommelte und in den Bus trieb. Durch Stau und schlechtes Wetter erreichten wir Hamburg erst gegen 12 Uhr und parkten sogleich an den Landungsbrücken in St. Pauli. Von dort machten wir einen kurzen Abstecher in die Pilsbörse und schnupperten schnell beim "goldenen M" rein. Wir wollten früh am Stadion sein, also ging es für uns nach einigen Minuten gleich weiter zur U-Bahn "Reeperbahn". Die erste Bahn brachte uns auch gleich zum Volksparkstadion. Dort das übliche: Ab in den Bus und zum Stadion. Leider hatten wir schlechtes Wetter mitgebracht - es schüttete wie aus Kübeln, und wir beeilten uns, um schnell zum Gästeeingang zu gelangen. Mal eben noch zwei Karten übergeben und dann nichts wie ins Trockene. Wegen des schlechten Wetters hatten auch die anwesenden Ordner keine große Lust, die Fans zu durchsuchen. Ärgerlich, da wir deswegen auf unsere Digital-Kamera verzichtet hatten. Die wäre so wohl kein Problem gewesen.
Im Stadion wurde eine Mitreisende von einem besoffenen Hamburger bepöbelt und geschubst, und der daneben stehende Ordner zuckte nur mit den Schultern. Als dann hinterher ein paar Dortmunder den Zaun besprangen, zeigte er jedoch, dass er ein ganzer Kerl er sein kann und zog diese bösen Strolche vom Zaun. Die Ordner standen mit ihren neongelben Jacken dann auch brav in unserem Block, um auf uns aufzupassen. Immerhin: Gelbe Ordner in einem Borussen-Block lassen die Menge der BVB-Fans nur noch größer wirken.
Der Gästeblock füllte sich so langsam, und auch nebenan und über uns waren praktisch nur Dortmunder auszumachen. Nach langer, langer Zeit waren wir mal wieder mit einer stattlichen Anzahl Gästefans angereist. Schätzungsweise 5.000 Dortmunder hatten sich im Volksparkstadion eingefunden. Von 20.000, wie 1994, natürlich weit entfernt, woran sicherlich auch die äußerst "fanfreundlichen" Preise in Hamburg Schuld haben. Über 14 Euro für einen Stehplatz sind ein ganz schlechter Witz, der billigste Sitzplatz 28 Euro - schönen Dank, Hamburger SV.
Die Stimmung im Volkspark ist gegenüber den Vorjahren noch schlechter geworden: Der Stadionsprecher entpuppt sich einfach nur als alberner Clown, der dem Herthaner Möchtegern-Einpeitscher in nichts nachsteht. Hoffentlich liegt das nicht am gemeinsamen Vermarkter, und die UFA kommt in Dortmund auch noch auf solch tolle Ideen. Jedenfalls war das supitolle Wechselspiel zwischen Stadionclown und Publikum "HSV - Drei, Dortmund - Null" irgendwann nur noch lächerlich, das anschließende "Bitte - danke" setzt dem ganzen noch die Krone auf.
Im Dortmunder Block war die Stimmung von Anfang an eigentlich recht gut. Leider ließ sie sich wegen der Akustik und der Verteilung der Fans in Unter- und Oberrang nur selten gut koordinieren. Da von Anfang an viel Hektik und Spannung im Spiel war, erwiesen sich die mitgebrachten Liedzettel als unnötig, das Motto-Lied wurde nicht gesungen. Zum Einlaufen der Mannschaften wurden auf Dortmunder Seite Doppelhalter und Fahnen gezeigt, auf Hamburger Seite eine Papptafel-Choreo: "Danke", wofür auch immer, denn so erfolgreich war die Saison ja nun wirklich nicht. Mitten unter uns wurde dann ein furchtbar kreativer Bengalo auf den Boden geworfen. Nach Augenzeugenberichten waren wohl Leute dafür verantwortlich, die zuvor noch nie im Stadion gesehen wurden. Einige waren gar der Auffassung, dass es keine Dortmunder gewesen seien, da sie nichts trugen, was sie als Dortmunder erkennbar machen konnte. "Danke schön" an dieser Stelle, damit wird in Hamburg nächstes Jahr alles verboten werden. Schon in Kaiserslautern hatten wir letztes Jahr Mannheimer im Block, die Rauchpulver entzündeten. Diese Gestalten mögen sich doch bitte einen eigenen Verein zum Spielen suchen. Dieses sinnlose "Bengalo-auf-den-Boden-werfen-und-dann-nix-wie-weg" ist einfach nur albern und vollkommen überflüssig. Von der Gefährlichkeit dabei ganz zu schweigen, man könnte ja auch immerhin mal jemanden treffen. Außerdem werden nun vielleicht wieder Unschuldige dafür verantwortlich gemacht, weil sie auf den Videobändern in der Nähe des Bengalos stehen. Danke schön, ihr Arschlöcher, entweder man steht zu seinen Taten oder lässt es einfach bleiben. Sich bei fremden Vereinen herum zu treiben, nur um seine Scheiße durchzuziehen, widert mich nur an.
Doch zurück zum Positiven. Das Spiel war einfach nur verrückt, vielleicht eins der verrücktesten, die ich je gesehen habe. Zunächst erspielte sich Borussia die Chancen, dann der Hamburger SV, und das 1:0 macht - natürlich - Marcio Amoroso per berechtigtem Foulelfmeter. Zuvor war die Kunde vom 1:0 der Nürnberger bereits durch den Block geschwappt. In diesem Moment war schlicht die Hölle los. Und während wir noch feierten, fiel bereits das 2:0 durch Rossi. Der Affentanz ging weiter, und auch das 1:2 für den Hamburger SV konnte uns nicht schocken. Dann geisterte plötzlich die Meldung durch den Block, der 1. FC Nürnberg würde bereits 2:0 führen, die Leute flippten regelrecht aus. Doch die Meldung erwies sich als falsch, und die Halbzeit ließ uns etwas ruhiger werden. Als das 3:1 fiel, gab es einen bösen Torpogo im Block-Aufgang: Man flog einfach nur noch durcheinander. Amoroso stürmte zum Blockaufgang und ließ sich zusammen mit Koller feiern. Die Ordner am Zaun bekamen dabei sicherlich viel ab, als ständig Leute gegen sie flogen. Den Sinn dieser Ordner habe ich immer noch nicht verstanden. Dienen sie als Prellbock, damit die armen Fans sich nicht am Zaun verletzen oder sind sie einfach nur dort, um das schlimme, schlimme Zaunklettern zu verhindern? Egal, weiter im Text: Das 3:2 fiel, und es wurde weiter gezittert. Das 4:2 ließ wieder alle Dämme brechen, und Addo sowie einige andere Spieler kamen direkt vor unseren Block. Kurz nach dem erneuten Anschlusstreffer kam die Meldung, dass das Spiel in Nürnberg aus sei, die Party ging weiter, und dann gab es auch endlich den ersehnten Schlusspfiff in Hamburg! Jeder umarmte jeden, es war einfach Freude pur im Block. Die Anspannung fiel tonnenschwer von uns allen ab. Die große Erleichterung war greifbar. Die Mannschaft kam endlich mal komplett vor unseren Block und ließ sich gebührend feiern. Einige Cowboyhüte flogen ihnen zu und wurden von einem total aufgelösten Sunday Oliseh begeistert zurück geworfen. Wir blieben im Block und wollten nicht nach Hause gehen. Bis zum Auslaufen der Mannschaften standen wir noch in den Blöcken und feierten jeden einzelnen unserer Helden. Fast allen Spielern merkte man die Begeisterung über die Tabellenführung deutlich an.
Ronny zelebrierte vom Oberrang herab eine Humba und später dann noch eine weitere unter der Tribüne. Die Polonaise ging durch den gesamten Stehblock und unter der Tribüne weiter. Nach knapp einer Stunde verließen wir dann auch das Stadion, um zu den Zubringerbussen zu gelangen. Am S-Bahnhof Stellingen gab es dann leider etwas Stress mit einem Hamburger, der glaubte, er müsse die Freundin eines Dortmunders ohne deren Einwilligung küssen. Daraufhin schritten die wichtigen S-Bahn-Sheriffs ein, die sich auch in der Bahn sehr "freundlich" zeigten. Der Großteil unserer Busbesatzung fuhr nun zurück zu den Landungsbrücken, um die Fahnen, Doppelhalter etc. im Bus zu verstauen. Dort trennten wir uns dann, da ein Teil von uns in Ruhe in der Hamburger City noch etwas essen wollte, während der Rest gleich auf die Reeperbahn zog. Ganz authentisch wurde dann bei einem asiatischen Italiener zu Spottpreisen gespeist, ehe es auch den Rest auf die Reeperbahn verschlug.
Auf der Fahrt dorthin wurde man noch mit netten "Ihr werdet nie deutscher Meister" - Gesängen bedacht. Lustig, lustig und vor allem so wahr, 1956, 1957, 1963, 1995, 1996 existierten nie.
Auf der Reeperbahn trafen wir uns mit einigen anderen TU-Mitglieder einer kleinen Kneipe namens "Lucky Star". Dort gab es günstiges Mineralwasser, was von allen ausgiebig konsumiert wurde. Dazu nette Musik und Paulianer, die mit uns redeten, ohne uns gleich zu bepöbeln. Der Abend neigte sich dem Ende zu, und einige wollten unbedingt noch eine Nebenstraße besichtigen. Gerüchten zufolge sollen dort junge Damen im Schaufenster sitzen und auf die Liebe ihres Lebens warten. Andere Gerüchte, dass man auf dem Weg zum Bus vor dieser Straße einen ehemaligen Bundesligaspieler traf, entbehren jeder Grundlage.
Am Bus musste erst ausdiskutiert werden, wer denn nun die Toilette benutzt hatte, um seinen Mageninhalt zu verteilen. Wie üblich war es niemand, dieser Kerl treibt sich aber auch überall rum. Also erklärten sich Wolle und Torte bereit, die Toilette zu reinigen, damit wir endlich wieder fahren konnten. Vielen Dank an dieser Stelle an die beiden.
Ganz großen Dank an Christian und vor allem Ronny von den Borussen-Bulldogs, die sich immer wieder herausragend um die Mitfahrgelegenheiten gekümmert haben. 17 Auswärtsspiele (abzgl. der VRR-Spiele, zzgl. Europapokal) und immer Spaß dabei. Auch ein Dank an alle Stamm- und Gelegenheitsmitfahrer der Bulldogs, es war immer lustig, egal wo wir gemeinsam waren.
Meinen ganz persönlichen Dank und Grüße auch an alle anderen Organisatoren und Mitfahrer und Nichtmitfahrer von Auswärtsfahrten: vor allem Assi und "seine" AwaySupsWerdohl, die immer dabei sind, Treue Dortmunder, Borussen Bulldogs, Desperados, die "Organisation", Himmelsstürmer Hohenlimburg, die "Aachener", Rabauken, Treuer Süden, Rude Boys, Eisborussen, Gemeiner Pöbel Hamm, WSG, Ruhrpott Rambos, Kamener Jungs, Sonnenkönige, Goldener Oktober, Schwerte-Ergste und alle anderen (inkl. der vielen Einzelpersonen) , die ich jetzt vergessen habe. Auch wenn man sich in der einen oder anderen Sache nicht einig ist, haben wir doch alle eine Gemeinsamkeit: wir tragen alle das "B" im Herzen.
Keine Schleichwerbung, aber trotzdem geht ein Dank auch an die Firma "Quecke" und ihre Busfahrer und Putzfrau, war sicherlich nicht immer einfach mit dem einen oder anderen von uns, trotzdem immer mit viel Geduld und Spaß bei der Sache.
In diesem Sinne: Auf ein geiles, erfolgreiches Saisonende und eine nicht weniger lustige Saison 2002/2003 mit hoffentlich mehr Fans, die den BVB auch mal nach Rostock, Cottbus oder zu 1860 begleiten.