Tatort Bundesliga - der 6. Spieltag 02/03: Dranbleiben Matthias !
Der FC Bayern München hat seine Poleposition in der Fußball-Bundesliga am sechsten Spieltag weiter ausgebaut. Der Rekordmeister feierte am Samstag beim 3:1 gegen Energie Cottbus seinen fünften Sieg in Folge und vergrößerte damit die Distanz zum derzeit schärfsten Verfolger Hansa Rostock (0:1 gegen Borussia Dortmund) auf vier Zähler. Während der Meister endlich wieder einen Sieg einfährt, stellt sich die Situation beim Vize in Leverkusen dramatisch dar.
Die Bayern benötigten zum Oktoberfestauftakt eine lange Anlaufzeit gegen Energie Cottbus ehe sie die Verhältnisse im Olympiastadion graderücken konnten. Völlig überraschend brachte Ex-Nationalspieler und Neuzugang Paulo Rink in der 19. Minute die Lausitzer in Führung. Rink überraschte an diesem Tag nicht nur die Bayernabwehr mit seiner verunglückten Torflanke sondern auch das Publikum mit einer neuen Haarfarbe. Hat die dunkle Haarpracht beim Deutsch-Brasilianer sowieso nie so ganz zu seinem eher deutsch-rustikalem Angriffsstil gepasst, so erleichtert die neue blonde Tönung auf jeden Fall den Integrationsprozess im Brandenburgischen und erstickt etwaige "Missverständnisse" im Keim.
Kurz vor der Halbzeit musste Cottbus-Trainer Eduard Geyer von der Tribüne mit ansehen, wie Alexander Zickler noch vorm Pausenpfiff das Ergebnis egalisieren konnte. Eine "gewaltige Reaktion auf La Coruna" (Ottmar Hitzfelds Forderung vor dem Spiel) hätte zu diesem Zeitpunkt anders auszusehen gehabt. Auch in der zweiten Hälfte kein Zauberfußball vom "weißen Ballet", was am Samstag jedoch in rot antrat. Dafür lange Zeit Quälerei gegen eine Cottbusser Mannschaft, die nicht wirklich an diesem 6. Spieltag eine Siegeschance hatte. Was am Samstag für die Münchner zählte, waren allein die drei Punkte im Kampf um den Meistertitel. Und die holten sie sich nüchtern und trocken in der zweiten Hälfte dank zweier Treffer von Michael Ballack (47.) und Giovane Elber (75.). Dabei bekamen sie reichlich Hilfestellung durch die Lausitzer, deren vom DFB auf die Tribüne verbannte Trainer Ede Geyer nach dem 3:1 durch Elber noch interessante Details aus seinem Eheleben ausplauderte: "Das hätte meine Frau Hildegard besser gekonnt! Wenn ich der sage: deck den, deck jenen, nimm die Nummer zehn, die Nummer 13 - dann machtse das ooch!". "Wir haben in der Bundesliga noch nicht die großen Gegner gehabt. Aber wichtig ist trotzdem, dass man auch gegen die vermeintlich kleinen Gegner keine Punkte abgibt", kommentierte Ballack den 3:1-Endstand. Sein 4. Treffer im 6. Spiel ist hingegen ein Einstand nach Maß, den ihm sicherlich auch seine größten Fans in der Deutlichkeit nicht zugetraut hätten. "Es sieht so aus, als könnten wir uns schon absetzen", so der Neu-Bayer. In Bezug auf die Überraschungsteams aus Bochum und Rostock mag das sicherlich stimmen, aber der FC Schalke und Borussia Dortmund liegen in Lauerstellung und pirschen sich langsam heran ohne jedoch Punkte auf die Bayern gut zu machen. Was dieser FC Bayern wirklich kann, wird sich am Mittwoch gegen Lens zeigen. "Wäre der Gegner heute stärker gewesen", so Jens Jeremies, "wäre es sicher schwerer geworden." Dann hätten jedoch die Bayern auch gewiß noch eine Schippe drauf gelegt. So ist das erste Spiel nach dem Desaster gegen La Coruna wenig aussagekräftig, erst das Spiel beim französischen Meister wird ein Fingerzeig, wie gefestigt diese Bayern-Mannschaft wirklich ist. Jeremies: "Es geht halt nicht von selbst, nicht in der Bundesliga, nicht in der Champions League. Wir müssen uns steigern, sonst können wir dort nicht gewinnen", so der 28-Jährige vorm Gastspiel in Lens. "Verlieren dürfen wir dort auf keinen Fall", sagt Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende. Die Unterforderung in der Liga macht den Bayern momentan offensichtlich die meisten Sorgen.
Es hatte schon so etwas staatstragendes: Einen Tag vor der Bundestagswahl gaben sich zeitgleich der Deutsche Meister Borussia Dortmund ebenso wie ihr selbsternannter Fan, Bundeskanzler Gerhard Schröder die Ehre in Rostock. Auf der letzten Station seines Wahlkampfes ließ sich Schröder von der Masse feiern und verabschiedete sich gewohnt kumpelhaft mit einem "Dann bis nachher, beim Fußball". Die einen mögen es die letzte Wahllüge vorm Urnengang nennen, wir werten es als ein kleines "Flunkern" des Kanzlers. Denn unter den 29.000 gespannten Zuschauern waren viele Prominente, nur der Kanzler fehlte. Dieser hatte bereits einen Tag vorher sein Kommen abgesagt so die Hansa-Pressestelle. Sein Kommen hatte der FC Hansa aber auch so oder so nicht nötig: Tabellenzweiter gegen Titelverteidiger zieht an der Ostsee so oder so. Die erste Chance des Spiels gehörte dann auch den Norddeutschen: Ex-Borusse Bachirou Salou scheiterte jedoch an Jens Lehmann und nur wenige Minuten später verwertete Jan Koller eine Reina-Flanke zum 1:0 Endstand.
Wie schon gegen Bayer Leverkusen, so reichte es auch gegen Dortmund nicht. Rostock tut sich schwer mit den Großen der Liga. "Heute ärgert mich nur das Ergebnis, nicht wie gegen Leverkusen, das Spiel." So Rostocks Trainer Armin Veh nach dem Spiel. Chancen hatten sie genug, doch scheiterten die Rostocker mehr an ihrer Abschlussschwäche denn an BVB-Keeper Lehmann. Rostock bestimmte über weite Strecken das Spielgeschehen hätte zum Ende hin aber auch höher verlieren können. Jan Koller schoss jedoch aus 2 Metern nicht ins leere Tor sondern seinen linken Fuß an. Und auch die weiteren Konter konnten die Dortmunder Stürmer nicht in Tore ummünzen. Fast schon lehrbuchreif der Satz von Rostocks Thomas Meggle: "Offen zu sein für Konter ist prinzipiell eine Wechselwirkung, wenn man auf den Ausgleich drängt."
"Man hat heute gesehen, dass wir durch die Champions-League-Belastung noch müde waren", musste BVB-Coach Matthias Sammer gestehen, "Dortmund ist noch nicht so weit, einen Spieler wie Amoroso ersetzen zu können." Dieser ist wiederum endlich wieder da, wo laut Aussage des vierjährigen Giovane Amoroso seine Heimat ist: In Dortmund. "Ich bin wieder zu Hause", soll Amorosos Sohn gejubelt haben, als die Familie in Dortmund angekommen sei und so ist ein Comeback Amorosos womöglich schon am Mittwoch möglich. "Wenn Leute wie Marcio ihr Comeback feiern, dann ist es häufig so, dass auch alle anderen wieder treffen.", so Christoph Metzelder und es mischt sich auch etwas Hoffnung mit ein, dass sich der deutsche Meister im Sturm in Zukunft wieder torgefährlicher als in Rostock an diesem Nachmittag präsentieren dürfte. Der BVB jedoch ist wieder da. Nicht schön, nicht überzeugend aber immerhin mit einem Sieg, wie tags drauf auch der Kanzler. "Mehrheit ist Mehrheit" so die SPD am Sonntagabend, dieses Eichel-Zitat hätte auch gut und gerne der epischen Tiefe einer Sammerschen Spielanalyse entstammen können.
Drei Tage nach dem 2:6-Desaster in Piräus kassierte Vizemeister Bayer Leverkusen im Weserstadion die nächste Niederlage. Nach der frühen Führung durch Thomas Brdaric in der elften Minute drehte das Spiel innerhalb von nur 6 Minuten. Ailton sorgte in der 25. Minute mit einem zweifelhaften Foulelfmeter (nach Auswertung der Fernsehbilder sah es eher wie ein Foul vor der Strafraumgrenze aus) für den Ausgleich. Anstatt Ruhe ins Spiel zu bringen, sorgte der Ausgleich offensichtlich sofortig für Verunsicherung in der Bayer-Abwehr. Erinnerungen an die schwarze Nacht von Piräus wurden wach als der Grieche Angelos Charisteas binnen 4 Minten (27./31.) mit zwei Treffern den Spieß umdrehen konnte. Erst ein Eigentor des Kanadiers Paul Stalteri kurz vor der Pause brachte die Gäste wieder heran. In der zweiten Hälfte muss man den Leverkusenern durchaus zugestehen, dass sie es versuchten. Bei den Bremern waren die Kräfte knapp bemessen, erst am Freitagmorgen waren sie vom Uefa-Cup-Hinspiel aus Donezk (Ukraine) an die Weser zurückgekehrt. Sie waren sogar mehrfach kurz davor den Ausgleich zu erzielen. "In der zweiten Halbzeit haben wir absolut am Limit gespielt und waren mit den Kräften am Ende.", so Werder-Coach Schaaf. Die Leverkusener kamen in der zweiten Hälfte noch zu zwei Pfostentreffer und einer 100% Torchance von Brdaric: Gereicht hat es an diesem Nachmittag trotzdem nicht. Zum Pech gesellte sich Unvermögen und zu allem Überfluss sahen der Bremer Paul Micoud und Bayer-Spieler Dimitar Berbatow in der 56. Minute nach einer harmlosen Rangelei beide die Rote Karte. In der "Todeswoche" (Manager Reiner Calmund) hat sich laut Trainer Klaus Toppmöller "alles gegen uns verschworen". 2:6 in Piräus, 2:3 in Bremen, Mitte der Woche kommt Manchester United in der Champions League und am Wochenende kommt es zum Showdown gegen Bayern München in der Bundesliga. Die Lage für den Vizemeister wird bedrohlich - die Saison zu einem Schicksalsjahr. Schafft die Bayerelf noch den Umschwung und wäre am Ende wieder Zweiter, dieses Jahr wären sie am Rhein alle überfroh. Eine ähnliche Saison spielten die Leverkusener bereits vor ein paar Jahren. In der Saison 1996, wäre Bayer beinahe abgestiegen. Erst am letzten Spieltag konnten sie sich seinerzeit retten. Damals erwischte es den 1. FC Kaiserlautern, die bis zum letzten Spieltag ebenso wenig damit gerechnet hätten. Unvergesslich die Bilder aus dem Premierestudio, in denen der heutige Bundestrainer Rudi Völler den damaligen Lauterer Andy Brehme tröstend in den Arm nimmt, der sich seiner Tränen nicht schämt. Sollten sich diese Bilder diese Saison überraschend wiederholen ?
Womit wir beim derzeitigen Katastrophenclub Nr. 1 wären. Dem 1. FC Kaiserslautern. Dort waren vor zwei Wochen Details des Vertrages von Ciriaco Sforza bekannt geworden. Während sich andere Fußballer Freibier bis ans Lebensende oder eine Dauerkarte für den Puff als Zuwendung für die Zeit nach der Karriere vertraglich zusichern lassen, hat Sforza an die "Rentenlücke" gedacht. So ließ sich der Schweizer im Spielerkontrakt vertraglich zusichern lassen, nach der aktiven Karriere als Sportdirektor weiterbeschäftigt zu werden. Diese Details lösten in der beschaulichen Pfalz große Diskussionen aus und sorgten für eine "beispiellose Hetzkampagne" wie sie Sforza am Montag im Kicker nennen sollte. Der Posse nicht genug. Vor dem Spiel beschloss Sforza -angeblich nach Absprache mit seinem Trainer Gerets- nicht zu spielen. Die Verunsicherung, wie die Kulisse auf sein Mitwirken reagieren würde, schien zu groß. Trotzdem erschien sein Name auf dem Spielberichtsbogen als Ersatzspieler, Sforza nahm jedoch in zivil auf der Tribüne 20 Minuten nach Anpfiff Platz. Einen Umstand den man nicht näher erläutern muss. Ausgerechnet in dem Moment, wo auf dem Betze im sportlichen Männern gefragt sind, zieht sich der 79fache Nationalspieler aus seiner Verantwortung heraus und agiert als Memme. Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) kommentiert es so: "Am Tag, an dem Deutschland Wahl hielt, wurde im DSF über die Zukunft eines Schweizers in der Pfalz abgestimmt. Nur 4,7 Prozent vertraten dabei die Meinung, dass Ciriaco Sforza dem 1. FC Kaiserslautern noch helfen könne" Damit verpasst Sforza nicht nur die 5%-Hürde, sondern dürfte auch in der Saison nicht mehr bei den Pfälzern größere Beachtung finden. Sforza erwies seinem Club eine enorme Ehre, eine "Ein-Mann-Nagativ-Show", wie sie Möllemann für die FDP unterhalb der Woche bot. Die Partie gegen 1860 endete übrigens 0:0. Ein Ergebnis, das den Pfälzern nicht viel nutzt und die Probleme nur noch weiter verschärft.
Ebenfalls im Tabellenkeller bleibt Hannover 96. Die Niedersachsen, bei denen Fredi Bobic im zweiten Spiel den dritten Treffer erzielte, fingen sich kurz vor Schluss gegen den VfL Bochum noch den 2:2-Ausgleichtreffer. 96 war zwar über weite Strecken der Partie besser, aber das bleibt nur ein bitteres Trostpflaster. "Wir haben besonders in der zweiten Halbzeit ein riesiges Spiel gezeigt. Ich denke, dass wir nicht viel besser spielen können", sagte 96-Coach Ralf Rangnick und lobte den Auftritt seines Teams. "Dass wir heute nicht gewonnen haben, ist natürlich eher enttäuschend", so Rangnick weiter, "ich glaube, dass wir in den vergangenen zwei Monaten einen Gegner selten so im Sack hatten wie heute."
Wenig besser erging es einem anderen Nordclub: Der HSV verlor bei Hertha BSC Berlin mit 2:0 und die Hamburger Fans forderten bereits die Entlassung von Trainer Kurt Jara. "Wir wussten, dass es ein sehr wichtiges Spiel ist und sind froh, dass uns im dritten Anlauf endlich ein Heimsieg gelungen ist", war Herthas-Trainer Huub Stevens die Erleichterung über den Heimerfolg anzumerken. "In der ersten Halbzeit haben wir allerdings zu wenig Chancen herausgespielt, gegen zehn Spieler hätte uns dann aber das eine oder andere Tor mehr gelingen müssen." HSV-Coach Kurt Jara konnte anschließend nur deprimiert feststellen: "Das war eine verdiente Niederlage für uns." Der Tiroler, sollte sich die klaren Worte seines Keepers Piekenhagen zum Vorbild nehmen: "Seit ich da bin, hat sich nix hier bewegt und verbessert. Wir sollten endlich aufwachen, den Arsch hochkriegen, die Eier zeigen und was wagen!". Klare Worte, denen jetzt Taten folgen müssen.
Taten folgten zumindest in Nürnberg, die 2:0 in Wolfburg gewannen. Das nimmt den Druck auf Trainer Augenthaler und sorgt bei den Wolfsburgern für eine traurige Tatsache: Auch mit Stefan Effenberg spielen die VW-Städter nicht besser und seit dem der Tiger in Wolfburg spielt, konnten die Grünen erst ein Spiel gewinnen. Zu wenig für ein Team, dass international spielen will. "Wolfsburg hat uns zwar am Anfang enorm unter Druck gesetzt und zu leichtsinnigen Fehlern gezwungen, aber mit der Zeit sind wir besser ins Spiel gekommen", lautete die Spielanalyse von FCN-Trainer Klaus Augenthaler. Wolfsburgs Trainer Wolfgang Wolf kritisierte die Leichtsinnigkeit seines Teams: "Wir mussten heute eine bittere Niederlage hinnehmen. Aber wir haben es uns selbst zuzuschreiben, weil wir in der ersten Halbzeit hundertprozentige Chancen nicht genutzt haben."
Mann des Spieltages ist der Stuttgarter Kevin Kuranyi, deutscher U21 Nationalspieler mit brasilianischen Wurzeln. Beim 3:0 Sieg gegen Arminia Bielefeld erzielte er aller 3 Treffer. Mit sechs Toren in den letzten drei Spielen hat er sich ins Rampenlicht geschossen. "Es ist schön, im Mittelpunkt zu stehen. Ich habe hart an mir gearbeitet", sagte er. Sein Trainer Felix Magath: "In jedem Training hat er alles versucht. Die Einsätze hat er sich verdient" Damit zählt auch der VfB zu Gewinnen dieses Spieltages, ebenso wie der FC Schalke, der mit einem 2:1 über Mönchengladbach sich auf den dritten Tabellenrang vorschieben konnte. "Wenn jemand vorher mit mir gewettet hätte, dass wir nach sechs Spielen so viele Punkte haben, hätte ich sofort eingeschlagen. Wir sind zufrieden, dass wir einen ganz guten Start hatten", sagte Rudi Assauer nach dem Spiel. Die Schalker sind in allen drei Wettbewerben bislang noch ohne Niederlage - als einziges Profiteam in Deutschland haben sie eine weisse Weste. Der neue Trainer Frank Neubarth scheint sich als Glücksgriff zu erweisen, auch wenn das einer zweifellos ganz anders sieht: "In der Vorsaison haben wir 2:0 verloren, diesmal nur 2:1. Dein Vorgänger war deutlich besser", so Gladbach-Coach Meyer breit grinsend nach dem Spiel.