Tatort Bundesliga - der 33. Spieltag: Unterhaching und kein Ende
Eigentlich wollten die Leverkusener dieses Wort aus ihrem Wortschatz und ihren Gedanken verbannen. Nach der Niederlage gegen Bremen tauchte es auf einmal wieder auf, das Gespenst in rot und blau, dass damals die sicher geglaubte Meisterschaft doch noch nach München entführte. Man könnte meinen, Bayers Unheil liegt im Süden. Nürnberg ist nachweislich auch eine Stadt, die ihre Mauern auf süddeutschen Boden stehen hat. Nürnberg und Unterhaching - eigentlich so verschieden. Auf der einen Seite die Metropole, auf der anderen der Vorort. Und doch gibt es keine anderen Orte, die Leverkusens Leid besser verkörpern als diese.
Wie sich die Bilder doch gleichten. Leverkusens beleibter Manager Reiner Calmund saß auf der Tribüne und konnte es kaum fassen, was sich auf dem Rasen abspielte. Mit leerem Blick verfolgte er, wie sich seine Mannschaft um den Lohn der sonst starken Saison spielte. Man hatte das Gefühl, er würde sich am liebsten irgendwo einbuddeln, was allerdings bei ihm schwer werden würde. Glasige Augen zierten seine vollkommen entglittenen Gesichtszüge, während er sich den Fragen der Journalisten stellte. "Ich bin sehr traurig und enttäuscht", ja Calli, das merkte man.
Selbst die Glückskrawatte von Klaus Toppmöller, konnte die Niederlage nicht abwenden. Lasch und lustlos hing sie nach dem Spiel herunter und verkörperte so den Auftritt der gesamten Mannschaft. Zu schwach und ideenlos hatten sie über die gesamten 90 Minuten agiert, ganz im Gegensatz zu den Nürnbergern, die nach dem Spiel feierten. Das goldene Tor von Marek Nikl hatte den Leverkusenern den Todesstoß versetzt. Regungslosigkeit auf der Bank, entsetzen auf der Tribüne.
Bayer war gefühlsmäßig wieder da, wo sie nie mehr hinwollten, in Unterhaching. Damals saß noch jemand anders auf der Bank, nämlich Christoph Daum, der sich mittlerweile in der Türkei verkrochen hat. "Bayer hätte verdammt noch mal den Titel verdient. Ich ärgere mich maßlos", verkündete er am Sonntag vom Bosporus. Sein Nachfolger als Bayer Coach, Klaus Toppmöller, musste eingestehen: "Jetzt haben wir es nicht mehr in der Hand, Meister zu werden."
Borussia hat nun alles in der Hand
Vollkommen richtig, denn seit Samstag heißt der neue Tabellenführer Borussia Dortmund. Noch vor 2 Wochen hatte man Glückwünsche nach Leverkusen entsandt, doch das erwies sich nun als verfrüht. Aus der Rolle des Jägers wollte der BVB angreifen und findet sich nun als Gejagter wieder. "Jetzt ist die ideale Situation, um den Blattschuss zu setzen. Wir haben die ganze Zeit gepredigt, dass am Ende der Jäger gewinnen kann", kommentierte Michael Meier nach dem Spiel die Situation. Das der BVB es nach schaffen könnte, hatten wohl noch die wenigsten nach der Niederlage gegen Kaiserslautern geglaubt, doch auf das Fracksausen der Leverkusener war mal wieder Verlass. Allerdings gestaltete sich auch das eigene Spiel als Nervenkrimi, denn der HSV war stets knapp davor den Ausgleich zu erzielen. Dass es dann doch zum Sieg reichte, machte Fans und Spieler umso glücklicher. "Das ist ein Traum. Wir haben es selber in der Hand", jubelte Stefan Reuter nach dem Spiel in die Mikrofone. Auch Sebastian Kehl schloss sich ihm an und meinte: "Wir haben ein starkes Spiel gezeigt. Wir waren bissig und man hat gesehen, dass wir unbedingt gewinnen wollten."
Genau diese Einstellung fehlte an diesem Nachmittag den Leverkusenern. Unter der Woche noch bejubelt, jetzt belächelt - Bayer auf Achterbahn Fahrt. Nun sollen es die Fußballgötter richten. Auf dem Rückflug von der "Stätte der Schmach" rief Manager Reiner Calmund eben diese an und bekam auch prompt Antwort. "Nachdem ich fertig war mit reden, begann das Flugzeug an zu ruckeln, das war die Antwort Gottes!", philosophierte er in der Sport Reportage. Ja, schon klar Calli. Wie sehr man sich im Meisterschaftsfinale auf die Fußballgötter verlassen kann, hat man ja letzte Saison bei den Schalkern gesehen, dem Meister der Herzen. Nur das können die Leverkusener ja nicht mehr werden, dieser Blumetopf ist schon vergeben. Deshalb greifen wir doch einfach Calli's Vorschlag von dieser Woche auf, und küren Bayer zum "Meister der Deppen".
Doch was meint Volkes Stimme zu der Meisterschaftsfrage? In der Sendung "Doppelpass" ist ja bekanntlich gerade diese gefragt. Dort wurde auf den angeblich bevorzugten BVB geschimpft und Leverkusen zum "wahren Meister" erklärt, denn Bayer hat ja, so O-Ton vieler Anrufer, "den schönsten Fußball gespielt". Komisch, davon hat man gegen Bremen oder Hamburg aber wenig bis gar nichts gesehen. Und am Ende wird ja sowieso der Meister, der die meisten Punkte hat, das weis jedes Kind. Nur nicht die Leverkusener, an denen ist das wohl vorbeigegangen...
Bayern Meister? Unmöglich! Oder...?
Halt, Stop, vergessen wir bei der ganzen Diskussion nicht jemanden?! Heimlich, still und leise hat sich der FC Bayern wieder angeschlichen und lauert nun mit nur noch 2 Punkten Rückstand zur Spitze auf ein Ausrutscher des BVB. Es ist schon fast unheimlich, wie die Bayern nach einer eigener Meinung nach "verkorksten Saison", doch noch die reelle Chance haben Meister zu werden. Wenigstens in diesem Punkt ist sich Fußballdeutschland einig: "Nicht schon wieder Bayern". Doch die Zeichen stehen auf Sturm, denn die Münchner sind nachweislich die Mannschaft mit dem besten Nervenkostüm.
Vor zwei Jahren lagen sie 3 Punkte zurück, letzte Saison hauten sie das Leder in der letzten Sekunde zum Sieg in die Maschen.Hinzukommt, das die Schiedsrichter die Partie im Olympiastadion erst abpfeifen werden, wenn der FCB als Meister feststeht. Noch vor Wochen spekulierten die Bazis kleinlaut mit dem 3. Platz, doch jetzt haben sie Blut geleckt. "Es war unser Ziel, dass wir uns für die CL qualifizieren können. Das haben wir geschafft. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir gegen Rostock drei Punkte holen. Dann werden wir vielleicht wieder ganz oben stehen.", meinte Hitzfeld nach dem glücklichen Sieg bei den Wölfen. In klassischem Bayernstil hatten die Münchner den Ball doch irgendwie ins Wolfsburger Tor gemogelt. Grottenschlechter Auftritt, miese Saison - doch wer fragt danach, wenn die Seppelz am Ende doch wieder ganz oben stehen. Ach ja, einen gibt's, Leverkusen...
Keine Spannung mehr im Abstiegskampf
Nun zu den Trauerorten der Liga. Nein, nicht schon wieder Leverkusen, diesmal geht's auf die andere Rheinseite, nach Köln. Dort kam es am Samstag zum Abstiegsendspiel zwischen dem SC Freiburg und dem FC. Der Gewinner hatte wenigstens noch den bildlichen Strohhalm, an den er sich klammern konnte, solange Nürnberg gegen Bayer verlieren würde. Doch da das ja bekanntlich ganz anders lief und Köln gewann, sind nun beide abgestiegen, sowohl Freiburg, als auch FC. Der SC hatte es bis zum Schluss nicht wahr haben wollen, vermutlich bis heute immer noch nicht. Vielleicht wird das große Erwachen im August erfolgen, wenn die Gegner nicht mehr Bayern München oder Borussia Dortmund, sondern Oberhausen oder Ahlen heißen. "Alle Spieler, auf die wir Wert legen, haben bei uns einen Vertrag für die Zweite Liga, so dass wir gute Voraussetzungen schaffen können, dass wir hoffentlich nur ein Jahr dort bleiben.", meinte ein sichtlich mitgenommener Volker Finke nach der Partie. Eigentlich schade, dass eine Mannschaft, die mehr auf, zugegeben wenige, spielerische Akzente setzte absteigen muss, im Gegensatz zu "mauerklubs" wie Cottbus oder Rostock. Doch das man mit spielerischer Klasse gewaltig auf die Nase fallen kann, geht ja nicht nur Freiburg so...
Die Kölner hatten diesmal ausnahmsweise auf einen Sieg des verhassten Konkurrenten gehofft. Das es dazu nicht kam, ist eigentlich müßig noch mal zu erwähnen... Das erträumte Endspiel gegen Cottbus blieb aus. Friedhelm Funkel räumte ein, dass "alles Menschenmögliche getan wurde", doch das reichte für die Kölner nicht. Den Konjunktiv noch einmal zu bemühen, was wäre wenn, bringt jetzt auch nichts mehr. Doch wäre vielleicht wirklich alles anders gelaufen, wenn Ewald Lienen schon vorher seinen Hut hätte nehmen müssen?
Im Gegensatz zu den Freiburgern wird in Köln jetzt ein Neuanfang gestartet. Für die neue Saison steht Andreas Rettig als neuer Manager bereit und die Mannschaft wird konsequent verkleinert. Trotzdem, Trauer darf erlaubt sein. Nur sollte man den Rhein im Auge behalten, denn die Tränenflüssigkeit der Kölner und der Leverkusener, wird wohl alle Dämme brechen lassen.
Zu den beiden gesellt sich nun auch St. Pauli. Der "WeltpokalsiegerBesieger" wird nächste Saison nun da spielen, wo sich eigentlich auch hingehören. "Zu schlecht für die erste Liga", attestierte selbst Trainer Demuth seiner Elf. Die Bundesliga verliert dadurch ein Stück seines Reizes, denn die Hamburger haben der Liga sicherlich mehr Farbe gegeben. Der etwas andere Verein, der sich nie anpassen wollte. Blutige Gesichter auf den Autogrammkarten, lustige und unverwechselbare Fans, dass alles passt vielen nicht in die große Show Bundesliga. Der Anschein, dass es Pauli gar nicht schaffen konnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings stellte man sich mit eigenem Unvermögen immer wieder selbst ein Bein. "Wir hatten die Möglichkeit, in der ersten Liga zu bleiben, waren aber zu blöd dazu. Das Spiel gegen Bremen war mal wieder ein gutes Beispiel dafür." Brachte Holger Stanislawski die Situation auf den Punkt. Bremen, Köln, Rostock - viele Spiele in denen sich Pauli immer selber den KO-Schlag versetzte. Die Fans werden es verschmerzen. Das Abenteuer erste Liga blieb eben nur ein Abenteuer, doch es hat allen viel Spaß gemacht, oder?
Zwischen den Fronten
Schon vor dem Spiel gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber Hertha BSC hatte Noch-Schalker Huub Stevens für ordentlich Zündstoff gesorgt. Am Wochenende vor dem für beide Teams elementar wichtigen Spiel hatte er sich schon mal mit einigen seiner baldigen Spieler getroffen. Ob es dabei um erstes "Beschnuppern" oder um Tipps wie man denn Schalke am besten putzt ging, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Einer hatte dafür aber gar kein Verständnis. Rudi Assauer zitierte Stevens zum Appell und stauchte ihn auf handliche Goudaform zusammen.
Der Trainer bereute sein Verhalten und lies verlauten, das für ihn "nur noch Schalke zählt". Logisch, dass das ihm keiner glaubt. Es kam wie es kommen musste. Die Berliner gewannen 2:0 und ganz zufällig erzielten gerade die 2 Spieler die Tore, mit denen Stevens unter anderem seinen kleinen Kaffeeklatsch gehalten hatte. Der Holländer muss sich wohl wie bei einer Besichtigung seiner neuen Wohnung vorgekommen sein und nicht wie bei einem Schlagerspiel um die UEFA-Cup Ränge. Die obligatorische Welle mit den Hertha Fans konnte er sich wohl gerade noch verkneifen, denn zu mehr als einem flapsigen Händedruck mit Dieter Hoeneß reichte es nicht. Wen wundert's, denn ganz im Gegensatz zu dem verbannten Hertha Manager, saß Rudi Assauer auf der Bank und beobachtete mit Argusaugen seinen Schützling.
Das einzige Problem, was Stevens wohl auch schlaflose Nächte bescheren wird ist, dass die Berliner Fans ihren Trainer in spe nicht gerade mit Freude empfangen werden . Die "Übergangslösung" Falko Götz erwies sich als echter Glücksgriff und führte Hertha aus dem Niemandsland der Tabelle in den UEFA-Cup. Der Betroffene selbst, weiß noch gar nicht wie es mit ihm weitergehen soll. "Ich hab das noch gar nicht richtig gerafft, weil ich noch so in der Aufgabe drinstecke", antwortete er, als er auf sein letztes Heimspiel angesprochen wurde. Seine Zukunft ist ungewiss. Der VFL Wolfsburg hatte zwischenzeitlich Interesse, doch das hat sich nun auch erledigt. Fest steht nur, dass der Name Götz nun mit den Namen Berger, Pagelsdorf oder Lienen in einem Atemzug genannt werden wird. Spätestens im Dezember wird er wieder irgendwo auf der Trainerbank sitzen, wetten?
Wer braucht die DFL?
Unter
der Woche kam es zum Eklat. Die vom Insolvenzverwalter geführte
Kirch-Gruppe, stellte in Aussicht, die Ende Mai fällige Rate nicht
auszahlen zu können. Sofort schäumte die DFL über und drohte mir Boykott
der Fernseh-Übertragungen, wenn die vereinbarten 100 Millionen Euro
nicht bei den Vereinen eingingen. Die DFL muss sich allerdings die Frage
stellen, ob sie nicht selbst verzockt hat. Mit einem sowieso
angeschlagenen und kurz vor der Pleite stehenden Unternehmer Geschäfte
zu machen, zeugt nicht gerade von Geschäftssinn. Die Frage muss erlaubt
sein, welchen Sinn dann die DFL darstellt, wenn sie nicht einmal in den
verlangten Kompetenzen befriedigend ausführt. Wenigstens ein neues,
schickes Logo hat sie hervorgebracht, dass allerdings sehr stark an
einen öden Abklatsch aus Amerika erinnert.
Die 100 Millionen haben sie nicht gekriegt, aber wenigstens wird die
Kirch Gruppe für die letzten beiden Spieltage 21 Millionen Euro an die
Vereine ausschütten. Was für ein Erfolg, spitzen-klasse DFL!
Doch wen interessieren solch nackte Zahlen, wenn man sieht,wie die Emotionen in der Liga vor dem letzten Spieltag noch einmal richtig Hochkochen. Das Objekt der Begierde wird in Dortmund auf seinen Empfänger warten. Doch glaubt wirklich irgendeiner, dass sich die Salatschüssel dafür interessiert, wer den besseren Fußball gespielt hat?