Tatort Bundesliga - der 31. Spieltag: Herzlichen Glückwunsch nach Leverkusen!
Die Deutsche Meisterschaft ist entschieden: Das vielgeschmähte Werksteam und sein unsympathischer Trainer sind uneinholbar enteilt. Aus, vorbei BVB – was bleibt ist das UEFA-Cup-Finale in Rotterdam, auf das sich jetzt die Dortmunder Vereinsverantwortlichen kaprizieren sollten. Die Sicherung des direkt zur Teilnahme an den „Fleischtöpfen“ der Champions- League berechtigenden 2. Platzes, dürfte in dieser Verfassung eh schwer genug werden! Borussia steh noch einmal auf und mobilisier all Deine Kräfte, sonst verspielt Ihr auf der Zielgeraden doch noch die sicher geglaubte Medaille...
BVB katapultiert sich lachs aus dem Titelrennen
Die Morgenpost schrieb heute süffisant: „Jammer-Time in Schwarz-Gelb“ und trieb damit Schabernack mit unseren aufgewühlten Gefühlen. Wir, die wir da gestern so schrecklich leiden mussten, bei dieser unnötigen Niederlage. Tja, es lässt sich nicht leugnen, in der Woche „der Teufel“ haben WIR kräftig was auf die Hörner gekriegt...
Er ist ein Mann aus der 2. Reihe und ungeliebt dazu: Dennoch hat Jörgen Pettersson Borussia Dortmund praktisch im Alleingang aus dem Titelrennen geworfen und seinem 1. FC Kaiserslautern die Chance auf einen internationalen Startplatz erhalten. Durch das dritte Saisontor des Schweden kurz nach dem Wiederbeginn, gewannen die Pfälzer am Sonntagabend mit 1:0 gegen den müden UEFA-Cup-Finalisten, der seine Meisterschaftsträume bei fünf Punkten Rückstand auf Bundesliga- Tabellenführer Bayer Leverkusen nun endgültig begraben darf. Vor 40 600 Zuschauer im Fritz Walter-Stadion verdienten sich die zuvor fünf Spiele sieglosen "Roten Teufel" den Erfolg durch eine deutliche Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit, in der Borussia leistungsmäßig immer mehr abbaute. War es ehedem die bessere „Physis“, die den BVB in der Hinrunde mitunter befähigte, den Gegner - vor allem auswärts - noch im Schlussspurt zu besiegen, so darf man sich heute fragen, warum die Sammer- Schützlinge so platt sind?
Und so währte die Freude über den Punktverlust von Leverkusen in Hamburg nur einen Tag, da der BVB auf dem Betzenberg die große Chance verpasste, den Abstand auf die Werkself zu verkürzen. "Wenn man so viele Vorlagen kriegt und nutzt sie nicht, dann ist es wohl gelaufen", sagte Dortmunds Abwehrspieler Christoph Metzelder anschließend deprimiert: "Wir haben ohne Aggressivität gespielt, so kann man hier nicht gewinnen."
Fehlpassfestival und Missverständnisse ohne Ende
Drei Tage nach ihrem glücklichen Einzug ins UEFA-Cup-Endspiel präsentierten sich die Dortmunder nicht wie eine Spitzenmannschaft, die um jeden Preis ihre Titelchance wahrnehmen will. Die Westfalen wirkten in einer von vielen Fehlpässen und Missverständnissen geprägten Partie viel zu lange passiv und entwickelten zu wenig Zug zum Tor. Regisseur Tomas Rosicky war einmal mehr nicht in der Lage, im Mittelfeld das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Zudem wurde Jan Koller vom jungen Knavs bis auf´s Messer bekämpft und sah keine Schnitte. Damit fehlte den Borussen die Anspielstation in ihrem durchsichtig betriebenen Angriffspiel. Ansonsten: Evanilson indisponiert, Ricken kaum zu sehen, Metzelder wieder mit erheblichen Schwierigkeiten und Amoroso trug sein Trikot spazieren und dürfte darin kaum einen Schweißtropfen abgesondert haben. Dennoch vergab der ansonsten außergewöhnlich blasse Brasilianer die wohl beste Gelegenheit für den BVB, um rechtzeitig in Führung zu gehen und die nötige Ruhe zu erhalten, denn sein sehenswerter Flugkopfball strich etwa einen Meter über das Lauterer Tor. Das war an diesem Tag jedoch einfach zu wenig!
Nach der Führung machte Lautern Tempo und Druck
Drei Minuten nach Wiederbeginn wurde K´lautern für den unermüdlichen Einsatz belohnt. Als die Dortmunder Abwehr einmal indisponiert erschien und ausgerechnet Christian Wörns eine Flanke von Mario Basler unterlaufen hatte, ließ sich der freistehende Schwede Pettersson die Chance aus spitzem Winkel nicht entgehen. Nach der verdienten Führung erhöhten die Pfälzer Tempo und Druck. Mit entschlossenem Zupacken verhinderte 1-B Philipp Laux bei Baslers Distanzschuss sogar das drohende 2:0. Eine Viertelstunde vor Schluss setzte BVB-Trainer Matthias Sammer mit der Einwechslung von Ewerthon und Heiko Herrlich zwar alles auf die Karte Angriff - doch zum Ausgleich reichte es leider nicht mehr. Lauterns Teamchef Andreas Brehme bescheinigte seiner Elf nach enttäuschenden Wochen eine engagierte Vorstellung: "Wir waren die bessere Mannschaft und haben hochverdient gewonnen." Was soll auch ein siegreicher Trainer sonst anderes sagen?
Bleibt nur zu konstatieren, dass der BVB sich noch im Reifeprozess befindet und die notwendige Konstanz einfach naturgemäß noch nicht haben kann. Der Altersdurchschnitt der von Matthias Sammer und Michael Zorc mit Akribie betriebenen Verjüngungskur beträgt gerade man um die 24 Jahre im Team. Mit Torsten Frings kommt ein weiterer Mosaikstein hinzu und weitere werden folgen. Es wächst eine große Mannschaft heran, aber sie braucht einfach noch Zeit – auch unsere!
Leverkusen holt entscheidenden „Big Point“ beim HSV
Jaja,
der HSV und seine Fans! Ab und an gelingt es ihnen doch, die innige
„Seelenverwandtschaft“ zwischen Fans und Profis herzustellen! Die Einen hatten
die „Arena am Volkspark“ [TM] längst verlassen. Die Anderen erholten sich in den
VIP-Räumen von den aufreibenden 90 Minuten. Und sie alle hatten eins gemein: sie
grübelten. Alle miteinander und jeder für sich. Kurt Jara hatte als Erster diese
unbeantwortbare Frage aufgeworfen, welche die gesamte HSV-Gemeinde beschäftigte.
„Warum nur“, hatte der Trainer gerätselt, ja, „warum nur spielen wir nicht
immer so?“
Wie schon beim 0:0 gegen die Bayern bewies der HSV, dass er in besonderen
Spielen zu außergewöhnlichen Leistungen fähig ist – aber eben nur dann. So
mischten sich, bei aller Freude über das 1:1 gegen Leverkusen, abwechselnd Wut,
Trauer und Ernüchterung in beinahe jedes Statement. „Wenn die Mannschaft
jedesmal so einen Willen gezeigt hätte, dann hätten wir in dieser Saison weitaus
weniger Sorgen gehabt“, meinte Sportchef Holger Hieronymus. Bernd Hollerbach
ging noch weiter. Traurig sei es, „zu sehen, dass wir es können, dass mehr drin
ist. Wenn wir als Einheit auftreten, sind wir kaum zu schlagen.“
Und selbst Ex- Keeper Butt merkte treffend an: "Es war sehr schwer, hier gegen den aggressiven und engagierten HSV dagegen zu halten", wenn wir jetzt unsere Heimspiele gewinnen und auswärts nicht verlieren, dann werden wir Meister." So ist es.
Nun glänzende Aussichten für Bayer
Drei lausige Spieltage noch und Bayer liegt weiterhin und nahezu uneinholbar auf der „Pole Position“ im Meisterschaftsrennen. Bei noch zwei Auftritten in der BayArena, folgt nur noch eine Auswärtsaufgabe beim designierten Abstiegskandidaten 1. FC Nürnberg - die Aussichten sind nach dem Remis glänzender denn je! "Unser sehr gutes Torverhältnis gegenüber Borussia Dortmund ist wie ein weiter Punkt", erklärte Reiner „der Pate“ Calmund nach Spielende euphorisch, "die Mannschaft hat in diesem schweren Spiel bewiesen, wie nervenstark sie geworden ist und dass sie die richtige Mentalität im Meisterschaftskampf hat." Und da der BVB in der sicheren Erkenntnis, am Tag drauf „nur gewinnen zu müssen“ leichtfertig im Titel-Rennen aufgesteckt hat, darf sich die „Metropole Leverkusen“ eben nun zur ersten Meisterschaftsfeier rüsten!
Ex-BVB-Spieler Sergej Barbarez hatte die Hamburger vor 54.503 Zuschauern zwar schon früh (nach der ersten Ecke) in Führung gebracht, doch die Leverkusener Reaktion auf den frühen Rückstand war meisterschaftswürdig. Die Gäste rissen sofort die Initiative an sich und erzielten fast postwendend nur knapp 10 Minuten später durch Oliver Neuville den Ausgleich. Der Nationalspieler hatte allerdings Pech, als er in der Schlussphase mit Verdacht auf Zehenbruch ausgewechselt werden musste und somit beim Länderspiel gegen Argentinien nur zuschauen kann.
Der HSV, das wurde einmal mehr deutlich, gefällt sich in der Rolle des Meistermachers. Kaum jemand hatte einen Pfifferling auf Jaras Team gesetzt. Zu souverän, zu eindrucksvoll hatte sich Leverkusen gegen Liverpool ins Halbfinale der Champions League gezaubert. „Bayer dachte wohl, die könnten hier im Schongang gewinnen“, mutmaßte Sergej Barbarez. „Sie haben schnell gemerkt, dass das nicht ging.“ Derweil richtete der allzeit quasselfreudige „Calli“ seinen Blick bereits in die Zukunft: "Ich hoffe, der HSV spielt auch gegen Dortmund in zwei Wochen so gut und engagiert wie gegen uns." Doch darauf kann Calmund normalerweise bauen. Denn in den Spielen gegen St. Pauli und den BVB will der HSV weiter versuchen, seine Fans für die enttäuschende Saison zu entschädigen. Wie schon beim 0:0 gegen Bayern München vor zwei Wochen gelang das auch gegen den Tabellenführer. Schlusswort von HSV-Trainer Kurt Jara: "Ich bin nur etwas traurig darüber, dass wir nicht immer so in dieser Saison gespielt haben", dann stünden wir sicher besser als nur auf Platz zwölf."
Und auch der Rest im Revier ist traurig...
Gegen Hertha BSC und in Wolfsburg war Werder Bremen bereits ein reguläres Tor nicht anerkannt worden. Jetzt war's mal anders herum: Schalkes Tomasz Hajto traf in der 66. Minute hinter die Torlinie, aber das Tor wurde aber nicht gegeben. "Der war klar drin", gab sogar Werder-Torwart Frank Rost zu, nachdem der Ball von der Latte hinter die Linie gesprungen war. Ausgleichende Gerechtigkeit fühlte Bremens Trainer Thomas Schaaf dabei nicht: "Mir wäre es lieber gewesen, alle drei Tore hätten gezählt. Dann hätten wir nämlich schon weitaus mehr Punkte gesammelt." Natürlich räumte Schaaf ein, dass Hajto ein reguläres Tor erzielt habe. Doch der Coach stellte auch klar: "Wir hätten vorher zwei Elfmeter bekommen müssen." Richtig. Zum einen wurde ein Handspiel von Wilmots nicht geahndet, zum anderen wurde ein Foul von Möller an Ernst kurz vor der Pause aus dem Strafraum verlegt. "Beide Male hätte der Schiedsrichter auf Strafstoß entscheiden müssen", gab sogar DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Eugen Striegel in der für Fußballfans immer hochinteressanten samstäglichen „Fachweiterbildung“ im ZDF-Sportstudio zu.
Und als Willibert Kremer, seines Zeichens Mitglied im Scoutingteam von Bayer Leverkusen nach 80 Minuten schwer beeindruckt das Weserstadion verließ, hatte er genug gesehen um Bayer- Trainer Toppmöller vor dem Bremer Gastspiel nächste Woche in Leverkusen sicherlich allen Respekt abverlangen. Was er aber auch sah, war ein starker Werder- Kapitän Baumann, der ja bekanntlich nach der Saison unters Bayerkreuz wechseln wird (Schwatzgelb.de berichtete). Und ebendieser Frank Baumann, der sich mit seiner exzellenten Leistung nachdrücklich für das Länderspiel gegen Argentinien empfahl, fügte an: "Wir haben gezeigt, was machbar ist. Die starken Mannschaften liegen uns. Wir glauben fest an den UEFA-Cup." Es lässt sich nicht leugnen, Werder setzt zum Schlussspurt an! Allerdings wird es sehr schwer. Schließlich hat sich an der ursprünglichen Situation trotz der Gala-Vorstellung nichts geändert. Der Abstand zu Platz sechs beträgt nach dem 1:0-Sieg des 1. FC Kaiserslautern gestern Abend über Borussia Dortmund weiterhin drei Punkte. Und es bleiben nur noch drei Spiele...
Das schwere Bremer Restprogramm mit den Auswärtsbegegnungen in Leverkusen und Dortmund sowie dem Heimspiel gegen den FC St. Pauli schockt die Bremer nicht. Im Gegenteil: "Auch bei den Bayern waren wir Außenseiter und hätten sogar gewinnen können", sagte Abwehrspieler Frank Verlaat vielsagend. Gegen Schalke zeigte Werder einmal mehr hanseatische Geschlossenheit, Mut und Einsatzbereitschaft. "Jeder Einzelne war positiv aggressiv", fand Keeper Frank Rost in seiner ihm eigenen Art der Formulierung. Angefangen bei der Abwehr. Oldie Frank Verlaat strahlte eine Ruhe aus, „das ist fast schon frech", urteilte der gesperrte Krisztian Lisztes. Und der nach Schalke gehende Torwart Frank Rost fügte an: "Mit Baumann und Krstajic hatten wir zudem zwei Innenverteidiger, die die Klassestürmer Sand und Mpenza abgemeldet haben." Schalke war zudem vom kompakten Bremer Mittelfeld überrascht. Schaafs Variante, Ailton als einzige Spitze aufzustellen, Torsten Frings in die Offensive zu beordern und Paul Stalteri gegen Spielmacher Andreas Möller zu stellen, überforderte die "Knappen". "Durch die Überzahl im Mittelfeld hatten wir auch mehr Sicherheit", meinte Baumann. Eine Taktik, mit der auch Leverkusen nächsten Samstag Probleme bekommen könnte. Willibert Kremer wird's notiert haben...
Stevens: "Die erste Halbzeit war eine Katastrophe"
Und das besiegte Schalke? Es leckte seine Wunden. Fast lautlos kam die Kritik Schalke-Manager Rudi Assauer über die Lippen. "Da fehlte einfach die Ernsthaftigkeit, das war gar nichts", sagte der Manager der "Blauen" und rang dabei sichtlich um Fassung. Während der desillusionierenden 0:3- Niederlage im Weserstadion hatte er seinen Gefühlen noch mehrfach freien Lauf gelassen, doch als die Pleite perfekt war, hatte sich Assauer wieder in der Gewalt. Quälende 90 Minuten lang waren die Gelsenkirchener, während der gesamten Rückserie zuvor erst ein einziges Mal besiegt, an Assauers alter Wirkungsstätte vorgeführt worden wie Tanzbären. Sagenhafte 1:7 Tore aus beiden Partien gegen die Hansestädter... Während die Konkurrenten um die Champions- League- Plätze aus München und Berlin mit Siegen den Vize-Meister in der Tabelle auf Rang fünf verwiesen, präsentierten sich die Schalker im mit 35.600 Zuschauern ausverkauften Weserstadion desaströs. Dazu noch einmal Rudi-Cigar: "Es war ernüchternd, dass wir mit dieser Riesenchance nicht umgehen konnten."
Ex-Nationalspieler Andreas Möller dokumentierte unfreiwillig, dass die Gäste die vielversprechende Situation offenkundig nicht erkannt hatten. "Es war eben ein Tag, an dem nichts zusammen ging. Nun müssen wir uns die Punkte am nächsten Wochenende gegen Nürnberg eben zurückholen", formulierte der Mittelfeldregisseur im unverbindlichen Plauderton. Unverbindlich, ungezwungen, nahezu unbeteiligt - so hatte sich der 34-Jährige auch über das Spielfeld bewegt. Dem scheidenden Trainer Huub Stevens ging die peinliche Pleite deutlich mehr an die Nieren, eine plausible Erklärung hatte der zu Hertha BSC Berlin wechselnde Coach aber auch nicht parat. "Die erste Halbzeit war eine Katastrophe, und auch danach sind wir nicht ins Spiel gekommen", äußerte Stevens, der auf konkretere Journalisten-Fragen nach den Gründen mit fast schon rührender Hilflosigkeit reagierte: "Ich weiß nicht, was los war. Vielleicht wissen Sie es ja?"
Gemütszustand des Club-Trainers im Keller
Die Falten haben sich in den letzten Monaten immer tiefer ins Gesicht gegraben von Klaus Augenthaler; verständlich, bei den sich ständig wiederholenden gravierenden Fehlern seiner Schüler, die den Trainer des 1. FC Nürnberg in den letzten entscheidenden Wochen im Kampf gegen den Abstieg aus der Bundesliga umtreiben. Als hilflos hat er seine Situation bezeichnet auf der Bank, ausgeliefert dem guten Willen und dem mehr oder weniger guten fachlichen Geschick der Spieler. Gegen den FC Bayern München, bei dem der 44-Jährige zum erfolgreichsten deutschen Spieler mit sieben Meistertiteln, drei Pokalsiegen und dem Weltmeisterschafts-Triumph 1990 wurde, erging es ihm wie so oft zuvor in dieser Saison: Nur ein kurzes Kopfschütteln war als Regung zu erkennen, als schon nach elf Minuten Andreas Wolf mit einer verunglückten Kopfballabwehr die Führung der Münchner ermöglichte. Auch danach nur sparsame Gesten, wenige Ausflüge auf die Aschenbahn. Und selbst nach dem Durcheinander in der Nürnberger Abwehr, das dem 0:2 vorausging, blieb er sitzen – nur der sekundenlang auf die Brust gesunkene Kopf signalisierte die Gemütslage. Zu den wilden Gestikulierern der Trainer-Branche an der Seitenlinie zählt er nicht, Aktionismus entspricht nicht seiner Wesensart, auch wenn Augenthaler im zweiten Durchgang mit nachlassender Aktivität seiner Mannschaft die eigene steigerte. Allenfalls knappe Gesten lassen ahnen, wie es drinnen aussieht, nur einmal wird die Jacke wütend auf den Boden geschleudert. Die Konzentration gilt der intensiven Beobachtung. „Denn ändern kann ich sowieso nichts während der 90 Minuten“, hat Augenthaler einmal gesagt mit Blick auf die Fehler von Spielern oder Schiedsrichtern.
Wie nun reagiert er nach dem Schlusspfiff, wie verarbeitet er Frust und seine Hilflosigkeit nach 90 Minuten? „Jetzt fahre ich zweieinhalb Stunden ins ZDF-Sportstudio nach Mainz und danach wieder zurück. Da habe ich Zeit, mir alles noch einmal vor Augen zu führen“, sagt der Trainer lapidar im aktuellen Fall – aber das reicht ihm nicht zur Analyse und schon gar nicht, um selbst innerlich damit ins Reine zu kommen. „Zwei, drei Tage“ brauche er dazu schon. Schließlich machen die permant gleichen Fehler seine Arbeit nicht leichter. Und auch der Umstand, dass gegen die Bayern generell die Leistung gestimmt hat, aber eben das Ergebnis nicht, locken alles andere als ein Lächeln ins sein Gesicht. Und auch bei ZDF-Moderator Wolf-Dieter Poschmann verzieht Augenthaler keine Miene, als er diesen beim Versuch, ihm die Aussage zu entlocken, dass ihm ein Sieg ausgerechnet über die Bayern besonders viel bedeutet hätte, abblitzen lässt. Siege sind Siege, egal gegen wen. Und Poschmanns Hinweis, dass die Bayern immerhin zuletzt drei Mal Meister waren, kontert er wie es ein Club-Fan nicht besser gekonnt hätte: „Dafür haben sie doch in den letzten beiden Jahren nichts gekonnt“. Um den heißen Brei herumreden will er nicht, darum kehren die Begriffe von fehlender Qualität und weiterhin zu sammelnder Erfahrungswerte bei der Zustandsbeschreibung seiner Mannschaft immer wieder. Und einem wie dem jungen Amateur Andreas Wolf, der sein zweites Bundesligaspiel bestritt, „kann ich doch wegen seines Fehlers nicht den Kopf abreißen“. Schließlich habe er sonst gut gespielt – „und vor ihm haben andere ähnliche Fehler gemacht, die schon 40 oder 50 Mal in der Bundesliga gespielt haben“. Nur die Fältchen um die Augen herum zucken ab und an, so als er seine unerschütterliche Zuversicht in punkto Klassenerhalt kundtut. „Wir haben das leichtere Programm, denn gegen gute Gegner spielen wir immer besser“, macht er Poschmann mit Blick auf Schalke und Leverkusen klar. Vielleicht, so sein Wunsch, „kommt Bayer schon als Meister nach Nürnberg“ – und dann würde der Münchner gern über einen Erfolg des Club referieren. Weg wäre dann alle Hilflosigkeit und sicherlich auch die eine oder andere Kummerfalte. Und seine Spieler? Wie denken die über die Sorgen des Trainers?
„Wir danken Freiburg für diese Niederlage“
Ist doch nichts passiert. Oder, Cacau? „Wir danken Freiburg für diese Niederlage“, sagte der 20-jährige Club-Stürmer, schelmisch grinsend, in Anspielung auf fremdes Pech und Missgeschick. Mit 2:5 wurde die Nürnberger Konkurrenz beim TSV 1860 zerlegt, womit das eigene 1:2 gegen das übermächtige Bayern München vorerst ohne schwerwiegende Folgen bleibt. Immerhin vier Punkte Vorsprung zum Abstiegsplatz 16 nähren Hoffnungen auf den Klassenverbleib, bei drei ausstehenden Partien. Dennoch eine schmerzhafte Club-Pleite, weil trotz mutiger Darbietung die Vorentscheidung im Abstiegskampf leichtfertig verspielt worden ist. Eine „gute Möglichkeit, den FC Bayern zu schlagen“ sei verpasst worden, konstatierte etwa der sichtlich konsternierte Torhüter Darius Kampa nach einem merkwürdigen Derby. Bildlich gesprochen: So mancher Riemen an den Münchner Lederhosen war bereits gelöst, nur ausziehen ließen sich die imaginären Kleidungsstücke nicht. Hätte Lars Müller drei Minuten vor Spielende nicht Willy Sagnol auf der Torlinie angeschossen, wäre zumindest ein Zähler drin gewesen für den Aufsteiger. Stattdessen hat die wohl entscheidende Relation im Profisport zwischen Aufwand und Ertrag aus Nürnberger Sicht – wie so oft in dieser Saison – nicht gepasst.
Ein imposantes Lehrbeispiel für effektive Arbeitsverrichtung lieferten dagegen die physisch und psychisch lädierten Bayern-Kicker. Die Münchner sind im ausverkauften Frankenstadion letztlich durch die dominante Aura eines Effenberg, Lizarazu oder Elber vor dem Uefa-Cup bewahrt worden. Mit durchaus Respekt einflößender Körpersprache antworteten die Bayern auf Spott und Häme; allein Kapitän Effenberg plusterte sich mehrmals auf, als wären Rasierklingen in seinen Achselhöhlen versteckt. Optisches Anzeichen einer Trotzreaktion, nachdem Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld in seinem Starensemble mitunter „Niedergeschlagenheit“ ausgemacht hatte nach dem königlichen K.o. in Madrid; dass ein Spielverlust bei Real jedoch nicht mit einem Realitätsverlust für das nächste Spiel einhergehen muss, konnten die Bayern selbst mit halber Kraft bestätigen. Ziel sei nunmehr die erneute Champions- League- Qualifikation, wofür mit dem „wichtigen Arbeitssieg“ (Hitzfeld) ein stabiles Fundament zementiert wurde. Spekulationen über Motivationsprobleme der im Estadio Bernabeu doch arg gerupften „Roten“ gab es reichlich. Der „FC Bayern hat fertig“ prophezeite gar ein Nürnberger Transparent – doch weit gefehlt, zumal sich der Club als spendabler Sparringspartner outete. „Wir machen es den Gegnern einfach zu leicht, Tore zu schießen“, erklärte Club-Trainer Klaus Augenthaler mit Blick auf die zwei Spiel entscheidenden Szenen. Nette Geschenke an Giovane Elber– der 19-jährige Andreas Wolf hatte eine Effenberg-Flanke nicht klären können – und Claudio Pizarro nach einem heillosen Durcheinander im Nürnberger Strafraum ließen erkennen, warum der FCN im Saisonverlauf schon 19 Mal als Verlierer vom Platz trotten musste.
Zugleich wird mit eigenen Torchancen seit Monaten fahrlässig verfahren im Nürnberger Offensivbetrieb. Bayerns Welttorhüter Oliver Kahn dürfte in der ersten Spielhälfte jedenfalls mehr Ballkontakte als Mittelfeld-Kollege Effenberg verzeichnet haben und ließ binnen drei Minuten mit großartigen Reaktionen sowohl den glücklosen Paulo Rink, als auch Club-Kapitän Tomasz Kos bei seiner Doppelchance an deren Bundesliga-Befähigung zweifeln. „Kahn war heute der Garant für unseren Sieg“, lautete auch die zutreffende Analyse von Hitzfeld. Einzig bei dem von Jacek Krzynowek stramm und platziert getretenen Elfmeter – Robert Kovac soll Paulo Rink zu Boden gedrückt haben – war selbst der mächtige Kahn machtlos. Neben drei verlorenen Punkten schmerzt den Club zudem eine Entscheidung des kleinlich leitenden Fifa- Referees Hellmut Krug, welche Augenthaler hinterher schlichtweg als „Witz“ bezeichnete: Kapitän Kos wurde nach 75 Minuten für ein Allerweltsvergehen an Owen Hargreaves mit Gelb-Rot zum Duschen geschickt und wird seiner Mannschaft somit am nächsten Samstag beim Gastspiel in Krugs Heimatstadt Gelsenkirchen fehlen. Bis dahin, sagte der verbesserte Tommy Larsen, müsse eben „jeder einzelne Spieler im Training weiter an sich arbeiten“. Aufstehen und zurückkommen, noch verbleiben dazu drei Gelegenheiten. Dass der Club zum Klassenverbleib auch noch eigene (Punkt-)Beiträge zu leisten hat, scheint außer Frage zu stehen. „Wir müssen auf jeden Fall noch was holen“, prognostiziert Dieter Frey. Doch bange machen gilt nicht im Nürnberger Lager. „Wir werden uns bis zum letzten Spieltag nicht aufgeben“, gibt sich Augehthaler kämpferisch und bekommt Schützenhilfe von seinen Schützlingen. Oder, Cacau? „Wir sind noch nicht verloren.“ Eben. Wieder nichts passiert.
Kirch-Desaster: Bayern kündigt Gehaltskürzungen an
Karl-Heinz Rummenigge hat Gehaltskürzungen für Profis des FC Bayern München im Falle der Nicht-Qualifikation für die Champions League angekündigt. "Einige Spieler haben in ihren Verträgen, dass es dann Abstriche gibt. Die Profis müssen in Zukunft das Risiko des Vereins mittragen", sagte der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern AG. Der Rekord-Meister spielt dabei seiner Ansicht nach die "Lokomotive", so Rummenigge, "diese Rolle wird bei anderen Clubs noch nicht ernst genommen." Ein Jahr ohne Titel sei für den FC Bayern zu ertragen. "Aber im nächsten Jahr verlange ich eine andere Gangart", erklärte Rummenigge. Da müsse hart und hoch konzentriert gearbeitet werden wie noch nie: "Vom Trainer bis zum Platzwart."
Nach der Entwarnung von Seiten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) wegen möglicher Folgen der Kirch-Insolvenz in der Vorwoche offenbarte Rummenigge andere Ansichten. "Was die DFL verkündet hat, halte ich für sehr fahrlässig. Man tut gerade so, als ob die Kirch-Pleite nur ein Gewitterwölkchen war und jetzt wieder die Sonne scheint", meinte der Bayern-Chef. Die nächste Rate von rund 100 Millionen werde Mitte Mai kommen: "Aber ob nächste Saison die Summen noch genauso fließen? Da habe ich meine Zweifel." Rummenigge warnte: "Die Goldgräber-Stimmung, die in den letzten Jahren in Deutschland herrschte, ist vorbei. Wer die Situation falsch deutet, dem geht es so wie unseren Freunden in Italien. Die meisten Clubs dort sind bis unters Dach verschuldet." Die Bundesligisten müssten nun den Rotstift ansetzen: "Die Kosten müssen nach unten. Die Entwicklung der Gehälter und Transfersummen ist ungesund." Man müsse einen fairen Marktpreis bei den TV-Geldern finden, der alle überleben lässt, forderte der ehemalige Nationalstürmer.
Unterdessen will SAT1 weiterhin Fußball zeigen. Nach der Kirch-Pleite ist zwar noch offen, bei welchen TV-Sendern künftig die Spiele der Fußball-Bundesliga zu sehen sein werden, aber der Vorstandsvorsitzende der Kirch-Tochter ProSiebenSat1 AG, Urs Rohner, sprach sich im Nachrichtenmagazin "Focus" für eine weitere Übertragung bei SAT1 aus. "Wir sind in der Pole Position für die Free- TV-Rechte in der nächsten Saison." RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler hält dagegen die Bundesliga "zu den heutigen Konditionen für nicht bezahlbar". Das Magazin berichtete, auch die Intendanten der ARD hätten sich in einer internen Schaltkonferenz am vergangenen Montag gegen eine Übertragung der Bundesliga in der "Sportschau" ausgesprochen. Die Rechte seien zu teuer.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement erwartet dagegen Veränderungen für die Fußball-Finanzierung. Er gehe davon aus, dass die im Mai fällige Rate von Kirch gezahlt werde, so dass "Zeit für die Festlegung einer neuen Verwertungskette bleibt", sagte der SPD-Politiker im Nachrichtensender NTV. Es sei davon auszugehen, dass dann nicht mehr die Preise in jetziger Höhe gezahlt würden. Er rechne damit, dass bei der Verwertung der Rechte Sat1 und RTL "im Spiel seien" und auch die öffentlich-rechtlichen Sender "eine größere Rolle übernehmen", sagte Müntefering.
Der Chef des Abo-Senders Premiere, Georg Kofler, kündigte an, im Falle einer Insolvenz der defizitären Gesellschaft KirchPayTV wolle der Sender die Fußballprogramme weiter betreiben. "Die Kunden werden am Bildschirm keinen Unterschied bemerken, die Kanäle laufen dann weiter", sagte Kofler in der "Süddeutschen Zeitung". Er kündigte an, mit der Bundesliga über geringere Preise für die Fußball-Übertragungen verhandeln zu wollen. Wir sind alle sehr gespannt, wie das jetzt weitergeht...