Eua Senf

Warum bin ich so befangen?

27.06.2002, 11:36 Uhr von:  Gastautor
Warum bin ich so befangen?

Schon seit Beginn der Fußballweltmeisterschaft stellt sich für mich die Frage, ob ich inzwischen nationalstaatliche Symbole problemlos, das heißt politisch korrekt, benutzen kann. Sicherlich, meine Bindung zum BVB ist intensiver als der zur Nationalmannschaft und ein BVB Logo auf das Auto zu kleben kam mir in den Sinn. Wer aber klebt sich schon einen Bundesadler aufs Auto? Das hat doch noch zu sehr den Gestank des Ultrarechten, oder? Ich renne mit einem BVB Schal durch Köln und bin stolzer Westfale in der Diaspora, was ich auch zeige, habe aber keinen schwarz-rot-goldenen Schal.

Dabei sind die von mir bedachten Zeichen eigentlich Symbole unserer, jetzt schon gar nicht mehr so jungen, Demokratie und nicht etwa eines totalitären Regimes. Ich habe den Wunsch mein "Deutschsein" und die Unterstützung der Nationalmannschaft zu zeigen. Bezeichnenderweise befindet sich derzeit aber nur eine alte DDR Fahne in meinem Besitz. (Bei einem Ostberlinbesuch in den 80ern vom Zwangsumtausch in einem Schreibwarenladen erstanden). Die habe ich dann immerhin zum Viertelfinale auch an meinem Arbeitsplatz gehisst. Diese Fahne und der Offiziellen schon recht ähnlich und über das "Logo" in der Mitte kann man doch wohl hinwegsehen. Irgendwie ist das aber auch ein Trick, weil so eine DDR Fahne derzeit schon etwas komisch ist und keineswegs eine richtige Bekenntnis zur BRD des 21. Jahrhunderts. Ich finde allerdings, ehrlich, schwarz-rot-gold alleine auch erschreckend langweilig. So eine Fahne mit Bundesadler wäre vielleicht noch ganz schön, aber ich bin total verunsichert, ob man die überhaupt so verwenden darf. Diese Zeichen sind ja genau reglementiert, doch ich kenne die Regeln natürlich nicht. Vielleicht hätte ich sie bei der Bundeswehr gelernt, wo ich aber nie dabei war. Da ist auch noch die Frage, wo denn Fahnen verkauft werden. Jedenfalls bei uns noch nicht in jedem Schreibwarenladen und an jedem Kiosk!

Wieso aber überhaupt diese Gedanken?

Bilder aus Köln

In Köln, meinem Wohnsitz, sind derzeit allerorts türkische Symbole zu sehen. Das macht mich so nachdenklich. Diese Mitbürger leben oft schon seit ihrer Geburt in Deutschland, haben aber keine Probleme sich zur Türkei zu bekennen, wo sie teilweise nur im Urlaub sind. Wir sind, wohl zurecht, nur mit Hemmungen dabei und heute, nach erreichen des Finales, habe ich etwas Absurdes gesehen. Da fuhren deutsche Autos hupend durch die Strassen, aber eben ohne Fahnen, Wimpel oder ähnlichem. Kein Zeichen, nur das Gehupe und strahlende Gesichter. Das mutet doch sehr seltsam an, wenn man die roten, vor Symbolen kaum noch erkennbaren Autos nach den Siegen der türkischen Mannschaft gesehen hat. Wie kann ich mein Gefühl ausdrücken etwas dagegen halten zu wollen, sportlich fair, schließlich sind wir im Finale, ohne ausgrenzend zu wirken? Ich will ein tolerantes Miteinander deutscher und türkischer Symbole, aber diese Übermacht türkischer Zeichen finde ich doch etwas traurig. Ist diese Trauer politisch verwerflich? Ist das schon Fremdenhass? Wie benutzt ein bürgerlich liberaler Mensch deutsche Staatszeichen? Ich finde keine Lösung, weil alle um mich herum so gehemmt sind. Ich finde aber es ist Zeit zu diesem Staat und unserem Team zu stehen! Niemand hat 1990 gekämpft, um neue Zeichen und eine neue Hymne zu bekommen. Auch der Osten nicht! Also habe ich mich mit der Hymne abgefunden. (Und nun auch die Zeile "Blüh im Glanze dieses Glückes", die ich immer vergessen habe, gelernt). Wenn ich aber aufstehe und die Hymne mitsinge, was in allen anderen Ländern der Welt mehr als normal ist, komme ich mir verdammt seltsam vor. Ich tue dann etwas komödiantisch, damit allen Beobachtern klar ist, der Nils, der ist kein Faschist!

Ich bin ein nur ein befangener Deutscher!

Aber es gibt auch Ausnahmen in Köln:

Bilder aus Köln
Bilder aus Köln
Mehr zu Nils? Dann schaut mal hier: www.nilskuegler.de


geschrieben von Nils

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