Der BVB hat das Siegen wiedererlernt!
"Brasilia Dortmund hat wieder zugeschlagen!" Diese Schlagzeile hörte man zuletzt immer wieder und vor allem immer öfter. Schließlich ließ der BVB in den zurückliegenden Wochen Sieg auf Sieg folgen und der Anteil, der im BVB-Kader befindlichen Brasilianer, wuchs dabei ständig. Aber die "Samba-Kicker" vom Zuckerhut sind nicht die einzigen Trümpfe, die der BVB derzeit zu bieten hat.
15 von 26 Toren - Das ist die beeindruckende (Tor-) Bilanz der beiden brasilianischen Außenstürmer Ewerthon und Amoroso in der Bundesliga. Wie erwähnt, zeichnet aber Borussia Dortmund noch mehr aus, als "bloß" die Treffsicherheit dieser "beiden Killer auf hohem Niveau" (Michael Meier).
Da wäre eine sattelfeste Abwehr mit einem ungeheuer soliden Torhüter Jens Lehmann, der nach dem Schulterschluss mit den Fans noch sicherer in seinen Aktionen wirkt. In bereits acht Bundesligaspielen konnte man ohne Gegentor bleiben. Doch nicht nur die Abwehr inklusive Torhüter Lehmann zeichnet sich für diese hervorragende Bilanz verantwortlich. Insgesamt wirkt das Spiel des BVB nach dem spielerisch hochklassigen Saisonstart und dem anschließenden Durchhänger wieder wesentlich kompakter. Die kämpferische Linie stimmt und da zuletzt fast immer alle an einem Strang zogen, gelangten die Gegner nur noch selten in aussichtsreiche Abschlusspositionen. Es war aber auch bei den vielen Siegen ohne Gegentor nicht alles Gold, was glänzte. Das letzte einleuchtende Beispiel ist die Anfangsphase der zweiten Spielhälfte beim Auswärtssieg in Köln. Die beruhigende 2:0-Führung wog manchen BVB-Akteur ganz offensichtlich in große Sicherheit und man ließ die Flügel in der Folge zu sehr schleifen. Dem FC boten sich aufgrund der Nachlässigkeiten im Dortmunder Team genügend Chancen, um den Anschlusstreffer zu erzielen. Wäre dieser gefallen, so wäre es für den BVB ohne Zweifel nochmals eng geworden...
Der durchaus mögliche Treffer für die Kölner fiel aber (verbunden mit ein wenig Glück) nicht und auch das ist ein Bestandteil des BVB-Spiels: Derzeit hat man schlicht einen Lauf und somit in vielen wichtigen Situationen das nötige Quäntchen Glück. Selbst beim Grottenkick in Kopenhagen, wo erstmals die Einstellung wieder stark zu wünschen übrig ließ, wurden zahlreiche brenzlige Situationen überstanden, bevor die erste nennenswerte Torchance in der Nachspielzeit prompt zum Siegtreffer führte. Dieses Glück muss man sich jedoch ständig hart erarbeiten und von daher verwundert es zumindest den weitsichtigen Dortmunder Fan nicht, dass Matthias Sammer trotz aller Erfolge keine Zufriedenheit aufkommen lassen will und sich nicht zu überschwänglicher Lobhudelei hinreißen lässt. Sind die in Dortmund schnell aufkommende Nachlässigkeit und Selbstzufriedenheit doch hinlänglich bekannt. Diese Schwächen machte beispielsweise Dr. Gerd Niebaum äußerst treffend "als Feind in den eigenen Reihen" aus. Und so erscheint das "Sammer'sche Understatement", das die Spieler immer wieder zu weiteren Leistungssteigerungen anstacheln soll, letztlich doch als sinnvoll.
Die angesprochenen Leistungssteigerungen sind vor allem im Mittelfeld wieder anzustreben. Von dort erfuhren die BVB-Stürmer zuletzt nur wenig Unterstützung; eine sehr geringe Zahl an Torchancen war die Folge. Vordergründig liegt dies an den fehlenden Impulsen von Tomas Rosicky, der nach seiner Muskelverletzung erst wieder richtig in Tritt kommen muss. Formschwach zeigte sich zuletzt zudem Dede, der vor allem für das Offensivspiel des BVB nicht mehr viel beitragen konnte. Ähnliches gilt für die defensiven Mittelfeldspieler Oliseh, Reuter oder Stevic. Defensiv erfüllen sie ihre Aufgabe zwar allesamt zufriedenstellend, beim Umschalten von Abwehr auf Angriff spielen sie allerdings keine allzu glückliche Rolle. Es mag auch daran liegen, dass Sammer in diesem Bereich, wo er die Qual der Wahl besitzt, nicht auf Kontinuität setzt und permanent rotiert. Einzig Ricken konnte zuletzt überzeugen. Zwar sind auch von ihm mehr Akzente für das BVB-Spiel zu erwarten, doch letztlich trug er mit seinen Geistesblitzen zu einigen dreifachen Punktgewinnen bei (Cottbus, Stuttgart).
Man kommt derzeit aber nicht daran vorbei, nochmals die Leistungen der brasilianischen Offensivspieler zu würdigen. Ob der quirlige Ewerthon, der immer in Bewegung ist, oder der etwas lauffaulere aber routiniertere Amoroso - beide verkörpern derzeit in Perfektion die augenscheinlichste und entscheidende Stärke des BVB: Nämlich dessen Effektivität! In den letzten Wochen boten sich, wie angesprochen, nicht Torchancen in Hülle in Fülle. Stattdessen wurden die wenigen vielversprechenden Einschussmöglichkeiten konsequent ausgenutzt. Lienen beschrieb den BVB nach dessen siebtem Auswärtserfolg sogar als die "effektivste Elf der Liga, die mit einem Minimum an Chancen gewinnt."
Mit dieser Spielweise hat man sich bislang in der Bundesliga eine glänzende Ausgangsposition geschaffen; im Europapokal überwintert der BVB ebenfalls. Wenn auch "nur" im UEFA-Cup und nicht - den Zielen entsprechend - in der Champions-League. Nun gilt es die Konzentration hochzuhalten und die verbliebenen Kraftreserven zu bemühen, um auch die letzten drei Aufgaben vor der Winterpause zu meistern. Ungewohnt forsch forderte Matthias Sammer, ganz untypisch für seine Art, aus den drei anstehenden Begegnungen gegen den HSV, Werder Bremen und Nürnberg neun Punkte. Vor allem Werder Bremen, die andere Mannschaft der Stunde, dürfte eine ganz harte Nuss für Sammers Team werden. Eine letzte, richtige Standortbestimmung vor der Winterpause. Wir hoffen auch hier auf die Hilfe der stürmischen Brasilianer, um ein weiteres Mal folgende Schlagzeile lesen zu können: "Brasilia Dortmund hat wieder zugeschlagen!"