Spielbericht Profis

Hochmut kommt vor dem Fall

18.12.2001, 00:00 Uhr von:  Arne
Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
© Bild: ONLINESPORT

Mit einem alles in allem sogar noch recht glücklichen 2:2-Unentschieden in Nürnberg starteten die Borussen am heutigen Dienstag gleichzeitig in Rückrunde und Winterpause. Zwar hatten sich die Borussenfans vor dem Spiel wohl ein etwas anderes Ergebnis ausgerechnet, doch spätestens nach der 2:0-Führung für die Clubberer in der 66. Minute muss man sich als Schwatzgelber wohl mit dem erzielten Resultat zufrieden stellen.

Doch der Reihe nach: Matthias Sammer hatte die Anfangsformation im Vergleich zum Spiel in Bremen ordentlich durcheinandergewirbelt. Jörg Heinrich (Gehirnerschütterung), sowie Christian Wörns und Sunday Oliseh (beide Ersatzbank) "flogen" aus der ersten 11, für sie rückten Christoph Metzelder - nach seinem Nasenbeinbruch mit der "Hannibal Lecter"-Gedächtnismaske -, Jan-Derek Sörensen und Micky Stevic in die Mannschaft. Amoroso nahm nach seiner Verletzungspause erst einmal auf der Bank Platz.

Doch bereits nach zehn Spielminuten musste "Matthes" seine Mannschaft erneut ändern, denn Jürgen Kohler war im Kopfballduell mit Nikl unglücklich zusammengeprallt und hatte sich eine stark blutende Platzwunde am Hinterkopf zugezogen. Für ihn brachte der BVB-Trainer jedoch nicht, wie wohl alle im Stadion und vor den Fernsehern erwartet hatten, den zuletzt stark aufspielenden Christian Wörns, sondern gab Youngster Ahmed Reda Madouni die Chance, sich in seinem sechsten Bundesligaspiel zu bewähren - ein Fehler, wie sich herausstellen sollte, erschien der Franzose in der Folge doch mit den ihm aufgetragenen Aufgaben in der Innenverteidigung arg überfordert. Gegen die quirligen Club-Stürmer Rink und Cacau jedenfalls sah der in Casablanca geborene oftmals noch schlechter aus als sein Teamkollege Christoph Metzelder, der ebenfalls einen ziemlich schwachen Tag erwischt hatte.

Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
© Bild: ONLINESPORT

Die erste Halbzeit verlief relativ ausgeglichen, es gelang keiner der beiden Mannschaften, eindeutig Akzente zu setzen oder sich gar eine spielerische Überlegenheit herauszuspielen. So folgte auf die erste Chance durch Paulo Rink in der 17. Spielminute, als er Lehmann einen Schuss aus der Drehung zu parieren gab, im Gegenzug sofort eine Riesenchance für die schwatzgelben Gäste, doch FCN-Keeper Kampa gelang es gerade noch, einen nach sehr schönem Pass etwas umständlich ausgeführten Kopfball von Sörensen von der Linie zu kratzen. Ewerthon scheiterte im Nachsetzen ebenfalls.

In der Folge gestaltete sich das Spiel recht offen und ausgeglichen. Torszenen und Gelegenheiten gab es zwar auf beiden Seiten zu verbuchen, doch wirklich zwingend erschien keine der beiden Mannschaften. Die Borussia tat sich mit einer oftmals etwas lasch wirkenden Spielweise schwer, eindeutige Akzente und die Gastgeber unter Druck zu setzen.

Kurz vor der Pause waren es dann jedoch die Nürnberger, die den Turbo anwarfen und die BVB-Abwehr in einige Bedrängnis brachten. Unschöner Höhepunkt aus BVB-Sicht hierbei sicherlich der Lattentreffer von Larsen in der 45. Spielminute, bei dem die Borussia schon eine gehörige Portion Glück benötigt hatte, um nicht mit einem Rückstand in die Pause zu gehen.

Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
© Bild: ONLINESPORT

Umgekehrte Vorzeichen dann nach dem Wiederbeginn: Ewerthon alleine vor Kampa, doch der Brasilianer vergab diese Chance gegen den Schlussmann der Franken leichtfertig.
Im weiteren Spielverlauf waren es dann allerdings wieder die Clubberer, die das Spiel an sich zu reißen versuchten und die neuformierte BVB-Hintermannschaft von einer Verlegenheit in die nächste zu stürzen wussten. So passierte denn auch, was passieren musste: Reuter interessierte sich nicht sonderlich für die Deckung der rechten Abwehrseite und ließ Krzynowek allen Platz, den dieser brauchte, um den Ball seelenruhig flach in den BVB-Strafraum zu spielen. Dort war Ex-Borusse Lars Müller schneller als Gegenspieler Dede am Leder und grätsche die Kugel ins Netz - 1:0 für den Abstiegskandidaten.

Doch wer nun mit einem Aufwachen oder gar Aufbäumen der Schwatzgelben gerechnet hatte, wurde enttäuscht. Noch immer schien man den Gegner zu unterschätzen und so verhieß lediglich die Einwechslung von Amoroso gegen Sörensen, das zumindest der Trainer bemüht war, das Spiel noch rumzureißen.

Aber auch der Brasilianer konnte die nächsten beiden Großchancen für den FCN nicht verhindern. Nach einer Larsen-Flanke konnte Jens Lehmann gerade noch Nikls Kopfball glänzend abwehren und im Nachschuss scheiterte der Nürnberger dann an sich selbst, als er den Ball aus einem Meter über das leere Borussentor schoss.

Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
© Bild: ONLINESPORT

Acht Minuten später, in der 65. Minute, zeigte sich dieser dann deutlich treffsicherer und traf die Borussia mitten ins Herz. Nach einem Riesen-Wirrwarr im Strafraum hielt der Tscheche aus 20 Metern einfach drauf und der noch von Micky Stevics Hacke abgefälschte Ball schlug unhaltbar über Jens Lehmann im Netz der Borussen ein.

Für den BVB schien dieses Tor nun aber endlich so etwas wie ein Weckruf zu sein, denn in der Folge bemühten sich die Borussen endlich einmal, so etwas wie Druck zu entwickeln und spielten sich prompt auch Torchancen heraus. So stand Ewerthon in der 70. Minute frei vor Kampa und gab auf den freistehenden Koller ab, der nur noch ins leere Tor hätte einschieben müssen, doch der Sturm-Riese verzog den Ball völlig und setzte ihn links am Tor vorbei.

Kurz darauf dann jedoch endlich die Erleichterung: Nach einem schnell ausgeführten Freistoß erschien wieder einmal Ewerthon vor dem Tor der Nürnberger und spielte einen tolle Pass auf den am langen Eck lauernden Ricken, der nur noch einzuschieben brauchte und dies auch tat. Der Anschlusstreffer war da und nur drei Minuten später vermochte es Micky Stevic, mit einem wuchtigen Kopfball, den Spielverlauf zu verdrehen und zum recht glücklichen 2:2-Ausgleich zu treffen. Tomas Rosicky hatte ihn mit einem schönen Freistoß bedient und von der Hintermannschaft der Nürnberger war Micky mit allen nur erdenklichen Freiheiten ausgestattet worden, denn weit und breit war kein Gegenspieler zu sehen - so leicht hat man es in der Bundesliga nur selten.

Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
© Bild: ONLINESPORT

Die Schlussphase bedeutete dann Arbeit für beide Torhüter, denn keine der zwei Mannschaften wollte sich mit dem einen Punkt zufrieden geben. Jens Lehmann stand mit Paraden gegen Krzynowek und Cacau in der 83. und 85. Spielminute ebenso im Rampenlicht wie sein Gegenüber Kampa, der drei Minuten vor Schluss noch einen Schuss von Ewerthon an den Pfosten lenkte. Das hätte der Siegtreffer sein können, auch wenn ein solches Ergebnis am heutigen Tage ganz sicher nicht verdient gewesen wäre, obgleich die Mannschaft nach dem 0:2-Rückstand kräftig aufgedreht hatte.

Auffällig in der Schlussphase waren die häufigen Abseitsstellungen der BVB-Angreifer. Viele aussichtsreiche Spielzüge wurden vom Unparteiischen-Trio (zurecht) abgepfiffen, ein Zustand, der sich im Grunde wie ein roter Faden durch die vergangenen Partien zieht. Hier gilt es, die Hebel anzusetzen und an einem besseren Timing bei der Ballabgabe zu arbeiten, dann können wir bald auch wieder Schützenfeste mit BVB-Beteiligung genießen.

Fazit:

Im Grunde ist dieser Punkt für beide Mannschaften zuwenig. Der BVB geht voraussichtlich nicht, wie von vielen erhofft, als Tabellenführer in die Winterpause und die Nürnberger müssen die Feiertage auf einem Abstiegsplatz verbringen.

Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
Spielszene: 1. FC Nürnberg - BVB
© Bild: ONLINESPORT

Dennoch sollte man als BVB-Fan letztendlich mit dem Ergebnis zufrieden sein, hatte es doch zwischenzeitlich nach einer peinlichen Blamage ausgesehen. Die Mannschaft muss sich jedoch die Frage gefallen lassen, ob sie wirklich alles gegeben hat und ob man den Gegner nicht doch arg unterschätzt hat. Oftmals jedenfalls wirkten die Aktionen der Schwatzgelben lasch und lustlos - ein Umstand, der Matthias Sammer nicht gefreut haben dürfte.

Der Trainer selber jedoch muss sich wohl den Vorwurf gefallen lassen, in der Innenverteidigung auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Nach dem Ausfall von Jürgen Kohler hätte ein Routinier wie Christian Wörns jedenfalls der Abwehr mehr Stabilität geben können als Ahmed Madouni, der häufig überfordert wirkte. Das Experiment mit der "jungen Abwehr" dürfte jedenfalls erst einmal gescheitert sein.

In Anbetracht des nahen Weihnachtsfests wollen wir uns jedoch versöhnlich zeigen und der Mannschaft, sowie dem Trainer und allen anderen Beteiligten für ein wirklich tolles Jahr und eine richtig schöne Hinrunde danken!

Die Daten zum Spiel:

Borussia: Lehmann (2) - Reuter (5), Metzelder (4,5), Kohler (-) [10. Madouni (5)], Dede (3) - Stevic (4), Ricken (3) - Sörensen (3,5) [57. Amoroso (4)] - Rosicky (3,5), Ewerthon (2,5) - Koller (4) [76. Herrlich (-)]

1. FC Nürnberg: Kampa - Nikl, Kos, Tavcar, Wiblishauser - L. Müller, Jarolim, Krzynowek - Larsen - Rink, Cacau

Gelbe Karten: Jarolim, Cacau, Wiblishauser - Rosicky, Amoroso, Stevic

Tore: 1:0 L. Müller (52., Vorlage Krzynowek), 2:0 Nikl (66.), 2:1 Ricken (73., Vorlage Ewerthon), 2:2 Stevic (76., Vorlage Rosicky)

Schiedsrichter: Meyer, Note 2 - Solider Leiter, der Partie ständig im Griff hatte.

Zuschauer: 25.000

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel