Auch an der Ostsee weht der Borussia der Wind nicht ins Gesicht
Mit der Null kennen sich beide Mannschaften gut aus. Bei Rostock stand die Null zu Hause. Nach der schwachen 0:3-Einweihungsvorstellung gegen Bayer Leverkusen im ersten Heimspiel sollten die ersten Heimpunkte, aber auf jeden Fall die ersten Tore her. Und die Null ist für den BVB derzeit der beste Freund. Null Punkte abgegeben, null Tore kassiert. Null Problemo! Vor dem Spiel gab sich Friedhelm Funkel kämpferisch: "Wir werden als Spielverderber auftreten; Wir grätschen dazwischen" Aber zu Anfang glich das Spiel für die Borussia eher einer gemütlichen Kaffeefahrt an die Ostsee.
Auch ins weit entfernte Rostock hatten sich zahlreiche Supporter des BVB aufgemacht. Bei strahlendem Fussballwetter wollten Sie den Hansestädter zeigen, wie man seine Mannschaft in der Fremde tatkräftig unterstützt. 25000 Zuschauer warteten gespannt, ob es diesmal gelingen konnte, den Westfalen in der Bundesliga ein Bein zu stellen. Unangenehme Vorahnungen überschatteten die Woche vor dem Spiel. Da war zum einen der Gegner Hansa Rostock, mit dem die Borussia in den vergangen Zeiten immer mal wieder arge Probleme hatte. Dann dachten einige weit zurück an die Meistersaison 94/95, in der man nach ähnlich gutem Saisonbeginn in der höchsten Euphorie im Auswärtsspiel bei der Frankfurter Eintracht böse mit 1:4 einging. Nicht zuletzt wurde dann auch noch Schiedsrichter Hermann Albrecht als schlechtes Omen dargestellt. Sei doch unter seiner Leitung in den letzten fünf Auswärtsspielen kein Sieg errungen worden.
Trainer Matthias Sammer stellte die Mannschaft lediglich aus der Not
heraus auf zwei Positionen um. Für den verletzten Jörg Heinrich
(Syndesmosebandanriß) spielte Sunday Oliseh von Anfang an und auch
Jürgen Kohler musste kurzfristig wegen eines grippalen Infektes seinen
Platz für den Länderspieldebütant vom Mittwoch, Christoph Metzelder,
räumen.
Friedhelm Funkel führte in Rostock das Rotationsprinzip ein, in dem er überraschend Benken, Salou und Maul draußen ließ und mit Emara, Schröder und Baumgart drei Spieler von Bank und Tribüne in die Anfangsformation beförderte. Damit sollte Hansa Rostock wohl für den Gegner nicht zu leicht auszurechnen sein.
Allerdings hatte Funkel damit die Rechnung ohne den BVB gemacht. Sein Stuhl war noch nicht ganz warm, als Lehmann einen Abschlag nach drei Minuten weit über die linke Seite zu einem Pass für Tomas Rosicky umfunktionierte. Der kleine Rosicky überspurtete in Richtung Strafraum seinen Gegenspieler Emara und als jeder, auch Torwart Schober, vom Eck des fünf Meterraumes eine Flanke in die Mitte erwartete, haute der tschechische Mittelfeldstar den Ball in die lange Ecke am Ex-Schalker vorbei. Während die Rostocker weiter bei diesem Schwimmbadwetter in der Folgezeit in Ihrer Abwehr schwammen und keinerlei Möglichkeiten sahen, auch nur nicht einmal in den Strafraum der Borussia zu gelangen, stimmten die Anhänger der Schwarzgelben nach zwölf Minuten die erste Humba an. Kurze Zeit später sollten sie auch dafür von Ihrer Mannschaft belohnt werden.
Früher musste man Wochen, oft Monate, auf Tore nach Ecken beim BVB warten, heute ist dies für diese Truppe schon fast eine Selbstverständlichkeit. In der 13. Minute war es Sunday Oliseh, der nach einer Rosicky-Ecke von der rechten Seite, ähnlich seinem Treffer im Spiel in Donezk, mit einem Gewaltschuss von der Strafraumgrenze den Ball unhaltbar zum 2:0 im unteren Eck des von Schober gehüteten Tores versenkte. In der 38. Minute war wieder Rosicky am Geschehen beteiligt, der alleine vor Schober mit dem 3:0 alles klar hätte machen können.
Jens Lehmann dagegen war in der ersten Halbzeit fast beschäftigungslos. Seine Ballkontakte waren an einer Hand abzuzählen. Das Eckenverhältnis von 0:5 zur Pause zugunsten der Dortmunder sagt dazu einiges aus.
Bemerkenswert das Rostocker Publikum, das, neben ein paar verständlichen Pfiffen, die Mannschaft immer wieder mit den bekannten "Ole FC Hansa"-Gesängen nach vorne treiben wollte. Doch erst in der 2. Hälfte wachten die Rostocker auf. Der Startschuss war der erste Eckball nach etwa einer Stunde. Druckvoller spielten sie nun gegen den BVB auf. Störten früher und machten den Dortmundern, die sichtbar ein paar Gänge zurückgeschaltet hatten, das Leben etwas schwerer. Die glasklaren Torchancen blieben aber dabei in einer schwachen zweiten Hälfte trotzdem aus. Allerdings erreichte man in den Spielanteilen einen 50:50-Wert.
Nach dem Spiel hatte Friedhelm Funkel wieder einmal nichts anderes zu tun, als auf dem, aus objektiver Sicht unauffälligem, Schiedsrichter Hermann Albrecht herum zu hacken. Als kleiner Verein sei man wieder benachteiligt worden und alles wäre zu Gunsten des "Großen" ausgelegt worden. Trainer Matthias Sammer besann sich darauf, die Leistung der eigenen Mannschaft zu beurteilen. Die erste Halbzeit sei sehr gut gewesen, man habe nur versäumt mehr Tore zu schiessen. In der zweiten Hälfte stimmte die Ordnung nicht mehr so, man war "kaputt" und bei einem Gegentor wäre es wohl wackelig geworden. Alles in allem sei man zufrieden. Sammer wirkte in seinen Aussagen lockerer als noch in den vergangenen Wochen, in denen er bei ähnlichen Situationen von "unterirdischen" Leistungen sprach. Torwart Jens Lehmann äußerte sich ähnlich. Die Partie sei zwar früh entschieden gewesen, trotzdem habe man in der zweite Hälfte nicht gut gespielt.
Während für den BVB weiterhin die Sonne an der Tabellenspitze scheint, muss man in Rostock noch nicht gegen dunkle Wolken ankämpfen. Die Tabellensituation der noch jungen Saison ermöglicht den Ostseestädtern mit einem Sieg im Nachholspiel gegen den FC Schalke sogar in die Reichweite der UEFA-Cup-Plätze zu kommen. Für den BVB kommen nun paar kleine Endspiele. Donezk empfängt man mit einem 2:0 Vorsprung zum Rückspiel, das die Tür zum Geldtresor der Champions League öffnet. Danach folgt der Pokal, in dem man in den letzten Jahren häufig über so kleine Kieselsteine, wie die Amateure des VFL Wolfsburg es zu sein scheinen, fiel. Dann folgt wohl die erste richtige Prüfung mit dem FC Bayern München im heimischen Westfalenstadion. Für uns alle spannende und erwartungsfrohe Wochen.
Die Daten zum Spiel:
Borussia: Lehmann (2) - Wörns (3), Metzelder (3) [81. Madouni] - Evanilson (3,5), Reuter (3), Oliseh (3) , Dédé (3,5) - Ricken (4) [74. Stevic] - Rosicky (2), Koller (3), Amoroso (4) [64. Sörensen (5)].
Hansa: Schober - Jakobsson - Schröder, Hill - Rydlewicz, Hirsch, Lantz, Emara - Weißhaupt [70. di Salvo] - Beierle, Baumgart [46. Salou]
Gelbe Karten: Rydlewicz, Lantz - Ricken, Evanilson, Madouni)
Tore: 1:0 Rosicky (4.) , 0:2 Oliseh (13.)
Ecken: 3 : 6
Chancen: 5 : 9
Schiedsrichter: Hermann Albrecht, Kaufbeuren: Note 2,5; unauffällig, sicher in der Kartenvergabe