Neues aus Block 11: Eine neue Folge aus der Reihe - Ich hab`s ja immer schon gewusst
Es gibt Fans, die sind mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet. Nein, nicht, dass sie sich nützlich machen, indem sie die Lottozahlen richtig voraussagen. Ihre Fähigkeit beschränkt sich darauf, die Zukunft von neuen Spielern bei den Schwatzgelben vorauszusagen und die ist nach ihren Erkenntnissen nie golden, noch nicht `mal gelb, wie das wie das dünne Stadionbier, mit dem sie sich in Stimmung bringen, sondern nur eins: tiefschwarz.
Zwei mir lange bekannte Exemplare dieser Fan-Spezies hatten sich pünktlich zum Debüt der neuen Saison im Block 11 hinter mir eingefunden: Der Bärtige und sein dicker Kumpel. Schon das erste Bierchen schärft den in die Zukunft gerichteten Blick des Bärtigen ungemein: „Wat sollen wir denn mit dem Koller. Wir haben doch schon den Bopitsch, der vorne die Bälle verstolpert“, flüstert er mir mit der Urgewalt eines startenden Düsenjägers ins Ohr. Nächster Schluck und nächste tiefe Erkenntnis: „Und der Amo-Dingsda für fuffzig Millionen, der ist doch schon verletzt, wenn er nur das erste Mal vorn Grashalm tritt“, formuliert er einen weiteren präzisen Blick in die Zukunft.
„Genau. Geld schießt keine Tore“, pflichtet der Kumpel bei und offenbart, dass er nicht nur den Kaffeesatz, sondern auch das deutsche Bildungsblatt Nummer 1 liest. „Die ganzen Geldsäcke, die taugen doch sowieso nichts. Junge hungrige Spieler, die noch nicht vom Geld verdorben sind, das würde was bringen“, beweist auch er ein feines Gespür für kommende Dinge. Ich, der ich manchmal eher rückwärtsgewandt bin, erinnere mich dagegen an das erste Heimspiel der Saison 1999/2000, als mich der Kumpel in die Geheimnisse des Transfermarkts eingeweiht hatte: „Der Meier“ sei doch „bekloppt“, hatte er mir offenbart, „verpflichtet Reina und Addo, zwei so Graupen ausser zweiten Liga. Wat sollen die denn bringen?“ Tja, so wechselhaft ist die Zukunft.
Nun sind Hellseher oft gespaltene Persönlichkeiten: Einerseits genießen sie es, wenn ihre Weissagungen zutreffen, andererseits leiden sie darunter, wenn all das Negative über ihren Lieblingsverein hereinbricht, das sie vorausgesagt haben. Ich höre hinter mir begeistertes Aufstöhnen der beiden Block 11-Orakel, als Koller die erste dicke Chance versiebt. Als ich mich umdrehe, ringen Leiden und Triumph gerade im Gesicht der beiden miteinander. Zum Glück verfügen die Hellseher unter den Fans aber auch über gesunde Verdrängungsmechanismen. Das Gequengel geht weiter, bis Amoroso den Ball ins Nürnberger Tor schlenzt. Der Bärtige reißt die Arme hoch, der dicke Kumpel schießt nach vorne, herzt und küsst mich. „Das war Samba“, brüllt er und der Bärtige verkündet dem ganzen Block, das sei ja mal wieder „goldrichtig“ gewesen, dass „wir“ den „Amadingsda“ aus Parma geholt haben: „Ich hab´s ja immer gesagt: wir brauchen mehr Spielkultur.“
Kaum ist der Jubel verklungen, ist die Euphorie der beiden Orakel über die Zukunft der Borussen wieder verflogen. „Der Ricken, der Ricken bleibt doch immer nur so`n ewiges Talent“, wagt der Kumpel anlässlich eines Ballkontakts des besagten Mittelfeldakteurs schon wieder die erste vorsichtige Prognose. Weitere wichtige Erkenntnisse: Der Kohler ist zu alt, der Wörns ist in Gedanken doch immer noch bei Bayern München (offenbar gehört neben dem Hellsehen auch das Gedankenlesen zu den Talenten der beiden Herren) und zu „dem Lehmann“ sagen sie „lieber nix“ – woran sie sich leider nicht halten.
So richtig in Schwung kommen die beiden heute aber nicht, das Spiel läuft zu gut. Lediglich die Chancenauswertung gibt ihnen leise Hoffnung. „Die Tore fehlen garantiert am Ende“, sieht der Kumpel offenbar dunkle Wolken über dem Saisonfinale durch die Kristallkugel wabern. Bis sich dann endlich Stevic von der Reservebank erhebt. „Der wird doch nicht den Stevic bringen, die blinde Nuss“, jubiliert der Bärtige voller Vorfreude. Und als dem frisch Eingewechselten auch noch der erste Fehlpass unterläuft, gibt´s kein Halten mehr. „Zu schlecht, um einen graden Ball zu spielen. Ich hab´s immer gewusst“, triumphiert der Kumpel.
Beim Schlusspfiff liegen sich die beiden in den Armen und grölen vor Freude. Spiel gewonnen und auch noch recht gehabt – was für ein Tag.
P.S. Eine Bitte an den Platzwart: Den Rasen schön kurz halten. Man weiß ja nie...