...Reinhard Saftig über das Scoutingsystem des BVB
Der "Trainer" Reinhard Saftig dürfte den meisten BVB-Fans, vor allem den älteren unter Euch, ohne Zweifel bekannt sein. Unvergessen sind ganz besonders die erfolgreich bestrittenen Relegationsspiele gegen Fortuna Köln unter seiner Leistung. Nach seiner Trainerzeit bei Bayer Leverkusen ist es um ihn ruhiger geworden. Erst durch die spektakuläre Verpflichtung von Tomas Rosicky rückte auch sein Name in Verbindung mit der Berufsbezeichnung "Chefscout" wieder in den Blickpunkt. Deshalb versucht Schwatzgelb seinen zukunftsorientierten und eher unbekannten Aufgabenbereich näher vorzustellen. Auch weil seine Tätigkeit für das Wohlbefinden von BVB-Fans mitunter entscheidend sein kann, wie Jahr für Jahr die hitzigen Diskussionen über mögliche Neuzugänge beweisen...
schwatzgelb: Freuen sie sich über die derzeit großartigen Leistungen eines Tomas Rosicky ganz besonders, Herr Saftig?
Reinhard Saftig: Ja, mit seinen hervorragenden Leistungen bin ich auch persönlich sehr zufrieden. Schließlich war der Transfer von Tomas Rosicky für mich schon immer eine Herzensangelegenheit. Und dass es mit seiner Integration so schnell geklappt hat, war sogar für uns ein wenig überraschend. Denn er hat ja immerhin vom ersten Spiel an sehr gute Leistungen gebracht und bisher kaum ein schwaches Spiel gemacht.
schwatzgelb: Warum ich zuerst diese Frage gestellt habe, können sie sich anscheinend schon denken. Denn sie sollen derjenige gewesen sein, der ihn hauptsächlich beobachtet hat. Das ist ebenfalls richtig, oder?
Saftig: Ich denke, dass man so etwas nicht immer von einzelnen Personen abhängig machen sollte. Aber dass Tomas Rosicky nach Dortmund kommt, war für mich, wie gerade gesagt, schon so etwas wie eine Herzensangelegenheit.
schwatzgelb: Es hat sich also bei den Beobachtungen schon sehr früh gezeigt, was für ein enormes Potential der Spieler besitzt?
Saftig: (schmunzelt) Für mich eindeutig ja!
schwatzgelb: Welche weiteren Spieler des aktuellen BVB-Kaders sind ebenfalls hauptsächlich von ihnen beobachtet worden?
Saftig:
Die Beobachtungen eines möglichen Neuzuganges sind immer eine
Gemeinschaftsarbeit. Wenn ich jetzt aber noch einen Namen nennen soll,
dann vielleicht den von Ahmed Madouni.
schwatzgelb: Vielen
BVB-Fans ist ihr Aufgabenbereich beim BVB natürlich nicht so bekannt,
wie es zu ihrer Trainerzeit der Fall war. Wie lautet denn überhaupt ihre
offizielle Amtsbezeichnung?
Saftig: (schmunzelt erneut) Ach, das ich weiß ich selber gar nicht!
schwatzgelb: Zu ihrem Tätigkeitsbereich können sie aber sicherlich Konkreteres berichten...
Saftig:
In erster Linie bin ich für Spieler-Beobachtung zuständig. Ab und an
fällt mir jedoch auch die Aufgabe, kommende Gegner zu beobachten, zu. So
habe ich zum Beispiel Spiele von Schachtjor Donezk im Vorfeld der
Qualifikationsbegegnungen zur Champions-League verfolgt, um mehr über
die Spielweise dieser Mannschaft herauszufinden. Das stellt aber nicht
die Regel dar, ist allenfalls eine Ausnahme.
schwatzgelb:
Beobachten sie bei der Spielersichtung, ihrer Hauptaufgabe, nur Spieler
einer bestimmten Altersklasse oder spielt das Alter dabei keine Rolle?
Saftig:
Für die Sichtung von Jugendspielern ist eigentlich mehr die
Jugendabteilung zuständig. Dort ist in diesem Jahr Eddie Boekamp wieder
zum Jugendkoordinator geworden, und somit ist er dafür hauptsächlich
verantwortlich.
schwatzgelb: Wenn ein Spieler von ihnen
persönlich beobachtet wird, darf er sich dementsprechend schon
einbilden, als ernsthafter Kandidat für die erste Mannschaft des BVB zu
gelten?
Saftig: Nur weil ich einen
bestimmten Spieler beobachte, ist natürlich noch nicht gesagt, dass wir
ihn verpflichten. Schließlich werden letztlich wesentlich mehr Spieler
beobachtet, die wir nicht verpflichten. Aber natürlich hat jede Reise
schon ihren Sinn und Zweck, auch wenn der größte Teil davon als eine Art
Ausschlussverfahren dient. Ein Beispiel: Wenn wir in den Niederlanden
ein Spiel beobachten und 22 Spieler sichten, ist unsere Kartei um diese
22 Spieler erweitert. Wenn uns nun einer dieser Spieler angeboten wird,
können wir sofort anhand unserer Aufzeichnungen über das weitere
Vorgehen entscheiden.
schwatzgelb: Wie läuft die
Beobachtung eines einzelnen Spielers konkret ab? Wird zu jedem Spieler
nach dem Spiel eine Mappe oder ein Bewertungsbogen angefertigt und dann
einer allgemeinen Datenbank zugeführt?
Saftig:
Nein, wir besitzen dafür ein spezielles Computerprogramm, in das die
jeweiligen Mannschaften aufgenommen werden. Falls nur bestimmte Spieler
beobachtet wurden, natürlich genauso auch diese. Schwatzgelb: Und auf
diese Computer-Daten kann dann gegebenenfalls auch Matthias Sammer
zurückgreifen? Saftig: Natürlich. Aber nicht nur er, sondern alle
Personen beim BVB, die in das Scoutingsystem in irgendeiner Weise
involviert sind. Die Daten werden dabei auf einen Hauptserver geladen
und sind anschließend für alle gleichermaßen zugänglich.
schwatzgelb: Und bei möglichen Neuverpflichtungen wird dann gemeinsam mit Michael Zorc und Matthias Sammer darüber beratschlagen?
Saftig: Richtig.
schwatzgelb: Bei wem liegt schließlich das letzte Wort? Auch bei Michael Zorc und Matthias Sammer?
Saftig:
Das kann man so nicht sagen, denn bei einer möglichen Neuverpflichtung
spielen ja nicht nur die sportlichen Aspekte eine Rolle, sondern vor
allem auch die finanziellen. Das letzte Wort haben somit der Manager
sowie der Präsident. Sportlich entscheiden das im Grunde Michael Zorc
und natürlich auch Matthias Sammer, wobei er als Cheftrainer aber so
viel um die Ohren hat, dass ihm nicht immer die notwendige Zeit zur
Spielersichtung bleibt.
schwatzgelb: Wie viele Wochen sind
sie durch ihre neue Tätigkeit bedingt unterwegs? Mehr oder weniger als
im Vergleich zur Trainerzeit?
Saftig: Unterwegs bin ich eindeutig mehr. Eine
konkrete Wochenzahl kann ich allerdings nicht nennen. Ich war aber
beispielsweise schon drei Mal in Südamerika. Und dass sich ein zwei-
oder dreitägiger Ausflug dorthin nicht rentiert, dürfte sich von selbst
verstehen. Man bleibt also alleine bei so einer Reise etwa zwei Wochen
dort. Man muss ja bedenken, dass bloß ein Weg etwa 20 Stunden dauert.
schwatzgelb: Füllt ihre neue Aufgabe sie denn trotzdem vollkommen aus oder streben sie doch wieder zurück zur Trainerbank?
Saftig:
Ich will zwar nicht ausschließen, nochmals als Trainer aktiv zu sein,
doch im Moment stellt sich die Frage sicherlich noch nicht.
schwatzgelb: Welchen Stellenwert räumen sie dem Scoutingsystem beim BVB
ein? Denken sie, dass ihre Arbeit ausreichend geschätzt und gewürdigt
wird? Saftig: Das hoffe ich schon! Prinzipiell ist aber das
Scoutingsystem in Deutschland eindeutig noch unterentwickelt. In anderen
Ländern wird diese Arbeit schon wesentlich professioneller betrieben.
Schwatzgelb: Somit treffen sie bei ihren Reisen vermutlich auch immer
wieder auf wenige bekannte Gesichter...
Saftig:
Richtig! Speziell bei Turnieren, die außerhalb Europas stattfinden.
Dort sind die Deutschen von den europäischen Ländern allerdings mit
Abstand am wenigsten vertreten. Letztes Jahr war ich beispielsweise bei
den Vorolympischen Ausscheidungen Südamerikas, die in Brasilien
stattfanden. Dort waren, grob gesagt, 20 italienische und spanische
sowie 15 französische und englische aber nur zwei deutsche Vereine.
Neben dem BVB noch Bayer Leverkusen. Insgesamt wird unserer Arbeit in
Deutschland also schon noch zu wenig Bedeutung zugemessen. Und gerade
wenn man bedenkt, welche Summen heutzutage gezahlt werden, sollte es
schon einen wesentlich höheren Stellenwert bekommen.
schwatzgelb: Wie viele Personen sind denn beim BVB in das Scoutingsystem
involviert, wie groß ist der Aufwand, der von ihnen betrieben wird?
Saftig:
Als volle Kräfte machen das bei uns eigentlich nur der Heinz
Redepenning und ich. Horst Köppel verbringt nun wesentlich mehr Zeit bei
den Amateuren. Das soll aber nicht heißen, dass nicht auch Horst
Köppel, Uwe Neuhaus, Theo Schneider von der A-Jugend oder Peter
Wongrowitz von der B-Jugend viel unterwegs wären. Und eben auch Eddy
Boekamp für den Jugendbereich.
schwatzgelb: Rein für das "Scouten" sind aber mit ihnen und Heinz Redepenning letztlich nur zwei Kräfte abgestellt...
Saftig: Das stimmt, aber meiner Meinung nach müsste es auch reichen!
schwatzgelb: Bloß zwei Personen, die hautamtlich für die Sichtung
verantwortlich sind, müssten also für einen Verein wie den BVB reichen?
Saftig: Es müsste reichen, denn es kommt ja schließlich auf die Qualität und nicht auf die Quantität an. Zudem nützt es uns nichts, wenn ständig fünf Personen herumreisen, aber jeder eine andere Meinung vertritt. Zu viele Personen dürfen es also auch nicht sein.
schwatzgelb: Also denken sie insgesamt mit diesem System eine optimale und ausreichende Arbeit leisten zu können?
Saftig: Optimale Arbeit zu leisten ist überhaupt schon mal fast unmöglich. Von der Quantität her dürfte aber unsere Arbeit ausreichen.
schwatzgelb: Und wie sind sie generell mit den Strukturen zufrieden? Kann man auf der jetzigen Grundlage noch langfristig weiterarbeiten oder sollen gewisse Bereiche noch weiter aufgestockt werden?
Saftig: Veränderungen, die zu Verbesserungen führen,
sollten immer angestrebt werden. Unser Computerprogramm beispielsweise
existiert so lange auch nicht. Vor etwa 1 ½ Jahren arbeiteten wir alles
noch in Zettelwirtschaft ab. Das war natürlich im heutigen Zeitalter
alles andere als zeitgemäß und insofern stellte zuletzt dieses neue
Computerprogramm einen großen Fortschritt dar. Falls weitere
Fortschritte dieser Art möglich sein sollten, werden sie natürlich
vollziehen.
schwatzgelb: Gibt es bei der Sichtung
verschieden populärer Spieler Unterschiede? Was läuft zum Beispiel bei
jemandem wie Rosicky, der schon vorher einen Namen hatte, anders als bei
den eher unbekannten Ahmed Madouni und Guy Demel
Saftig:
Es sollten keine Unterschiede herrschen. Wobei ich natürlich erwähnen
muss, dass Tomas Rosicky nicht von uns entdeckt wurde. Der war mit 19
Jahren bereits tschechischer Nationalspieler. So einen braucht man nicht
mehr zu entdecken. Aber dass er optimal in die Mannschaft passt, das
zeigt dann unsere Leistung. Und gerade bei solchen Ablösen ist diese
Leistung von besonderer Bedeutung. Im übrigen plädiere ich hiermit gar
nicht ausschließlich für teure Spielerverpflichtungen. Ein noch größerer
Reiz ist es schließlich auch für mich günstige oder gar ablösefreie
Spieler zu verpflichten. Wenn das gelingt, freut man sich umso mehr!
schwatzgelb:
Noch mal zurück zur Frage nach den Unterschieden bei der Sichtung eines
bekannteren und eines unbekannteren Profis...
Saftig:
Rosicky wurde von uns eher häufiger beobachtet als beispielsweise Ahmed
Madouni, weil bei Tomas aufgrund der höheren Ablöse ein größeres Risiko
existierte.
schwatzgelb: Wie sieht es bei einem Spieler von der Klasse Amorosos aus: Sind da überhaupt noch Beobachtungen notwendig?
Saftig:
Mit Amoroso habe ich persönlich überhaupt nichts zu tun gehabt. Er ist
nämlich schon vor zwei Jahren beobachtet worden, als er noch in Udine
spielte. Das Thema war schon damals aktuell, scheiterte aber an
finanziellen Dingen. In dieser Hinsicht war aber in diesem Sommer die
Bahn frei und so wurde er mit einem gegebenen Risiko, der
Verletzungsanfälligkeit, verpflichtet. Mit den bisherigem Verlauf kann
man jedoch sehr zufrieden sein...
schwatzgelb: Wie ist es
generell bei Spielern von internationaler Klasse: Sollten diese auch
noch ausgiebig beobachtet werden? Ein weiteres Beispiel neben Amoroso
wäre Jan Koller...
Saftig: Natürlich
sollte man auch diese Spieler noch beobachten. Jan Koller selbst ist
relativ häufig beobachtet worden. Und somit war es uns absolut klar,
dass er sehr gut ins System passen würde. Denn wenn man mit drei
Stürmern spielt, sollte man vorne im Sturmzentrum schon einen Tank, wie
Jan Koller einer ist, besitzen. Und er ist ja nicht nur kopfballstark,
sondern kann auch hervorragend Fußball spielen. Ich behaupte sogar, dass
er seine Möglichkeiten bei uns noch lange nicht ausgeschöpft hat. Er
wird noch besser! Das kann ich so sagen, weil ich sowohl sehr viele gute
Spiele von ihm bei Anderlecht als auch in der tschechischen
Nationalmannschaft gesehen habe. Und drei Jahre in Folge über 20 Tore zu
schießen, spricht auch eine deutliche Sprache. Auch wenn es "nur" in
Belgien war.
schwatzgelb: Ob ein Spieler sportlich passt,
wird man sicherlich recht schnell feststellen können. Haben sie denn
Möglichkeiten zu erfahren, ob er auch charakterlich passt?
Saftig:
Das kann und sollte man sicherlich auch machen. Das ist, soweit ich
weiß, bei Leverkusen auch in sehr professioneller Art und Weise der
Fall. Die haben wohl einen Bereich, der eigens dafür abgestellt ist. Bei
Koller und Rosicky konnte ich zum Beispiel über das Umfeld in Prag, in
dem ich ja sehr oft war, eine Menge herausfinden. Und alle bestätigten,
dass beide Spieler charakterlich einwandfrei seien. Die Tschechen können
sich in der Bundesliga allerdings generell sehr gut anpassen. Bei
Südamerikanern muss man da aber schon einiges vorsichtiger sein!
schwatzgelb: Sie haben gerade selbst erneut das Stichwort Leverkusen
genannt. Bayer 04 scheint in der Bundesliga, was das "Scouten" betrifft
also schon der Branchenführer zu sein. Nicht nur was Brasilien
betrifft...
Saftig: Man darf aber nicht
vergessen, dass sie alleine durch ihre Firma, nicht nur in Brasilien,
riesengroße Vorteile besitzen. So haben sie nämlich jederzeit jemanden
direkt vor Ort! Diese Leute können dann immer schon eine gewisse
Vorsichtung betreiben. Aber mal etwas zu diesem Satz, dass Leverkusen in
einem anderen Brasilien als der BVB sichte... Wenn ich mir den jungen
Dede anschaue oder inzwischen auch Evanilson, dann kann ich nur sagen,
dass sich Borussia sicherlich nicht hinter anderen verstecken muss. Dede
ist nicht nur jung und vergleichsweise günstig gewesen, sondern dürfte
auch noch eine große Entwicklung vor sich haben. Zudem hatten die
Leverkusener auch schon so ihre Flops. Zuletzt waren es Ponte oder Rink
und derzeit spielt mit Marquinhos, ein 8-Millionen-Einkauf, nur in der
Amateur-Elf. Wenn überhaupt da. Und von ihm spricht zum Beispiel
keiner...
schwatzgelb: Gibt es dennoch gewisse Dinge, die man versucht bei der Konkurrenz aus Leverkusen abzuschauen?
Saftig:
Nein, das eigentlich nicht. Unser Computerprogramm ist größtenteils
auch selbst entwickelt worden. Und deren größter Vorteil ist es eben,
dass sie ohne großen Aufwand zahlreiche Leute vor Ort haben.
Andererseits muss ich sagen, dass man irgendwann auch zu viel sichten
kann. Schließlich kann man nicht pausenlos Spieler verpflichten, sondern
nur ein begrenztes Kontingent.
schwatzgelb: Auffällig ist,
dass wir bisher nur über das Ausland und ausländische Spieler gesprochen
haben. Sichten sie dementsprechend nur im Ausland oder auch in
Deutschland?
Saftig: Natürlich schaue ich
mir auch die zweite Bundesliga an. Dort ist aber, ehrlicht gesagt, nur
sehr wenig zu sichten. Zum einen spielen dort wiederum viele
ausländische Spieler oder eben auch ehemalige Bundesligaprofis, die
schon aufgrund ihres Alter nicht unbedingt in Frage kommen. Letztens
habe ich noch die Begegnung Waldhof Mannheim gegen Arminia Bielefeld
beobachtet. Von den 22 Spielern der Startformationen gibt es aber nur
einen einzigen, der auch wirklich Perspektive besitzt. Keine wirklich
gute Quote.
schwatzgelb: Beim Thema Waldhof kann man vielleicht auch mal auf einen gewissen Hanno Balitsch zu sprechen kommen...
Saftig:
Ja, da kann ich ganz offen sagen, dass wir den Jungen im Sommer sehr
gerne verpflichtet hätten. Aber leider hatte er schon in Köln seine
Zugabe gegeben, sodass es für uns keine Möglichkeit mehr gab, ihn zu
verpflichten.
schwatzgelb: Bei Balitsch handelt es sich
ausnahmsweise mal wieder um einen deutschen Spieler. Dieser Markt
scheint aber derzeit nicht viel herzugeben...
Saftig:
Viel zu holen ist in Deutschland derzeit tatsächlich nicht. Alleine in
der zweiten Liga kann man 90 % der Spieler von vorneherein ausschließen.
Und selbst die Nationalmannschaft beweist diesen Trend. Dort spielen
mit Jacker, Metzelder oder Ziege doch gleich mehrere Spieler, die in
ihrem Verein nicht zum Stamm gehören. Und solche Volltreffer wie bei
Christoph Metzelder landet man auch nicht alle Tage, weil man so eine
Entwicklung nur schwer absehen kann. Zudem haben es kleinere Vereine wie
Freiburg oder der VFL Bochum, wenn er denn erstklassig wäre, immer
leichter solche Talente zu verpflichten, weil für sie dort die Chancen
zu spielen viel größer sind.
schwatzgelb: Welches sind denn für sie stattdessen die Märkte, die in Zukunft boomen werden oder könnten?
Saftig: So pauschal kann man das nicht sagen. Zuletzt war sicherlich Tschechien einer der Hauptexporteure. Ein großes Potential an guten Spielern gibt es nach wie vor in Frankreich. Dort ist es aber mehr eine Frage des Preises, denn französische Spieler sind fast immer teuer. Ansonsten würden auch argentinische Spieler von der Mentalität her gut nach Deutschland passen. Was aber vollkommen dagegen spricht, sind die horrenden Preise. So kostet ein 20-jähriger Saviola schon über 70 Mio. DM. Und an genau so einem Punkt ist dann der Vergleich zu unserem Rosicky vorhanden...
Saftig: In Skandinavien bin ich auch häufig und kenne mich speziell in Dänemark gut aus... Schwatzgelb: Beim Thema Dänemark fällt mir der Name Christian Poulsen ein... Saftig: Das ist einer von vielen Spielern. Aber als Stammspieler beim dänischen Meister sicherlich kein uninteressanter, obwohl er erst ein knappes Jahr in der ersten Liga spielt.
schwatzgelb: Woher bekommen sie denn überhaupt Tipps um auf weniger bekannte Spieler zu stoßen?
Saftig: Teilweise läuft es natürlich über die Berater. Aber ansonsten muss man sich vor allem selber einen guten Gesamtüberblick über die einzelnen Ligen verschaffen. So sollte man sich insbesondere die Spitzenspiele der jeweiligen Ligen, Ajax gegen Feyenoord oder Sparta gegen Slavia als Beispiele, nicht entgehen lassen. Dabei achtet man erst einmal gar nicht auf konkrete Spieler.
schwatzgelb: Und wie stößt man beispielsweise auf Guy Demel, der zwar bei einem großen Verein unter Vertrag stand, aber dennoch kein großer Name ist?
Saftig: In dem Fall wird es über einen Berater gelaufen sein. Daraufhin wurde er auch nicht beobachtet, sondern zu einem Probetraining eingeladen, wo er Matthias Sammer zu überzeugen wusste. Bei einem wirklich gestandenen Spieler ist so etwas natürlich unüblich und auch nicht möglich.
schwatzgelb: Gibt es auch bestimmte Spielermärkte, denen gegenüber der BVB abgeneigter ist? Osteuropäische Spieler zum Beispiel, abgesehen von den Tschechen, wurden längere Zeit weder verpflichtet noch waren sie im Gespräch.
Saftig: Bei so etwas muss ich natürlich höllisch aufpassen, bevor meine Aussagen letztlich noch falsch ausgelegt werden. Aber inzwischen hat man mit Spielern gewisser Regionen schon weniger gute Erfahrungen gemacht, was vor allem auch die charakterliche Seite anbelangt. In anderen Spielermärkten braucht man dagegen, wie erwähnt, erst gar nicht zu sichten, weil die Spieler ohnehin nicht bezahlbar sind. So geht ein Spanier beispielsweise nicht nach Deutschland...
schwatzgelb: Wo wir gerade beim Thema Tipps sind... Wir beiden haben mit sehr viel Aufwand eine Liste talentierter Spieler, die noch nicht bei großen Vereinen spielen und somit hoffentlich noch größtenteils erschwinglich sein sollten, erstellt. Vielleicht stellt es auch eine kleine Hilfe für sie dar und unter den 172 Spielern ist der ein oder andere Tipp dabei...
Saftig: (zeigt sich über den Umfang der Arbeit überrascht und blättert die siebenseitige Mappe erst einmal komplett durch) Kompliment! Das ist ja eine unglaubliche Fleißarbeit. Ich bin wirklich begeistert, denn einige Namen sind mir gut bekannt und auch einige von den unbekannten könnten tatsächlich interessante Tipps darstellen. Danke jedenfalls für den Aufwand, den sie damit betrieben haben. Und mal schauen: Vielleicht helfen sie uns damit tatsächlich weiter...
schwatzgelb: Zum Abschluss nochmals drei Fragen: Ist es eigentlich wichtig bei Beobachtungstouren unerkannt zu bleiben, weil sonst durch das Bekannt werden des Interesses der Preis nach oben schnellen würde oder ist es gar nicht möglich anonym zu arbeiten?
Saftig: Im Ausland ist man meist ohnehin unerkannt. Aber genau so wie der BVB von Spielerbeobachtungen anderer Vereine erfährt, wissen es auch diese Vereine von uns. Die notwendigen Karten muss der BVB schließlich bei den Vereinen selbst bestellen. Aber zumindest die Journalisten kennen mich im Ausland eigentlich nicht.
schwatzgelb: Und Neuzugänge für die kommende Saison wurden, so darf ich wohl selbstverständlich annehmen, auch schon gesichtet...
Saftig: Natürlich! Es geht immer weiter; es geht immer fließend weiter und es darf auch nicht aufhören. Stattdessen muss man immer auf dem neuesten Stand sein.
schwatzgelb: Zu seiner Dortmunder Zeit tätigte Nevio Scala einmal folgenden Ausspruch: "Die Meisterschaft des nächsten Jahres wird eigentlich immer schon im Winter entschieden, wenn man sich um die Neuzugänge für die kommende Saison kümmert!" Würden sie dem zustimmen?
Saftig: Na ja; zumindest hat er insofern recht, dass man immer auf dem Laufenden bleiben muss. Deshalb erkenne ich auch ihre große Fleißarbeit an. Viele dieser Spieler habe ich nämlich selbst schon gesehen und es sind auch einige dabei, die erst in ein bis zwei Jahren eventuell ein Thema werden könnten.
schwatzgelb: Danke für ein aufschlussreiches und umfangreiches Interview, Herr Saftig!