Tatort Bundesliga - der 14. Spieltag: Bayern, Bayern über alles...
Was wären wir nur, wenn es den weltgeilsten Spitzenclub, diesen omnipräsenten Rekordmeister und erfolgreichsten Eliteclub unseres Landes nicht geben würde? Sicherlich würden wir allwöchentlich einem der atemberaubensten Kapitel urdeutschen Komödienstadels beraubt. Mehr noch: Es wäre ja fast so, als müssten wir noch der schwatzweißen Sportschau mit dem Scheitelkönig Ernst Huberty im ersten Programm zusehen!
Transfersummen-Wahn sorgt den Bayern-Clan
Kämpfer Karl-Heinz "Rotbäckchen" Rummenigge ("Bayern verteidigt die Oase der Unabhängigkeit") hat mal wieder gebetsmühlenartig vor der Explosion der Transfersummen ("Wenn man sieht, was Spitzenspieler heute kosten, kann einem Angst und Bange werden") im Fußball gewarnt. Jaja. Der in mehreren internationalen Gremien vertretene Rummenigge sorgt sich auch wegen der Gehälter-Entwicklung. Für die Vereine werde die Situation "immer schwieriger". Einen Lösungsansatz sehen die Bayern in dem Vorschlag einer Arbeitsgruppe des Weltverbandes FIFA. Dieser sieht vor, die Vertragslaufzeiten der Profis auf drei Jahre zu begrenzen, und wird derzeit akribisch von der EU-Kommission geprüft. Rummenigge´s Ansicht nach, würden es sich die Clubs bei einer zeitlichen Begrenzung eher überlegen, viel Geld für einen Spieler auszugeben ("Ich glaube, das Mittelfeld des Spielermarktes kommt dann wieder auf vernünftige Zahlen runter"). Erst in der Vorwoche war der rund 58 Millionen Mark teure Wechsel des Verteidigers Rio Ferdinand, an dem die Bayern interessiert waren, von Chelsea zu Leeds United bekannt geworden. "Für einen Abwehrspieler 60 Millionen zu bezahlen, halte ich nach wie vor für verrückt", verkündete daraufhin ein sichtlich angefressener Uli Hoeneß.
Währenddessen stümpert sein bajuwarisches Aushängeschild so vor sich hin. In Freiburg gab es die erwartete Magerkost: Giftige Zweikämpfe, verbale Attacken und am Ende hatte Schiedsrichter Fandel Schuld! Der FC Bayern München gibt sich zwar kämpferisch, setzt seine sieglose Serie in der Fußball-Bundesliga aber fort. Nach den Niederlagen gegen Schalke und (2:3) und Frankfurt (1:2) musste sich der Rekordmeister am Samstag mit einem 1:1 beim SC Freiburg zufrieden geben und verliert zunehmend den Kontakt zur Tabellenspitze, während die Südbadener durch den Punktgewinn Anschluss an das Mittelfeld halten.
Doch die Bayern, die zwar in Führung gegangen waren, aber den Ausgleich 7 Minuten später durch "EX-BVB-Früchtchen" Wladimir But mit einem traumhaften Freistoß-Treffer hatten hinnehmen müssen, bleiben weiter kackenfrech. "Wir werden jetzt erst recht deutscher Meister", entblätterte deren oft tragikkomischer Torsteher Oli Kahn seine Seele der versammelten Journalistenschar!
Verkehrte Bundesliga-Welt. Da haben nach 14 Spieltagen bereits sechs Vereine an der Spitze gestanden und doch fühlt sich keiner dazu berufen, den Münchnern mal richtig den Kampf anzusagen. Die Angst vor der Blamage, die den seit Sonntag wieder vorne rangierenden Leverkusenern im Sommer in einem unvergessenen Herzschlag-Finale widerfuhr, scheint alle zu lähmen. Stattdessen üben sich die "Bayern-Jäger" mit halbherzigen Prognosen in Tiefstapelei. Es ehrt die Fans, wenn sie sich davon nicht düpieren lassen und darauf hoffen, dass es immer wieder Wunder gibt. Ohnehin sind sie schon jetzt die wahren Gewinner. Denn spannender und faszinierender könnte für sie der jedes Wochenende mit sensationellen Kapriolen verblüffende Liga-Alltag kaum verlaufen. Die berechtigte Klage, dass wirklich allen Klubs jedwede Konstanz fehlt, ist für sie indirekt ein Geschenk des Himmels.
Uli´lein ging allein, in die weite Welt hinein...
In einem Interview über die Folgen der Daum-Affäre hat Uli Hoeneß kräftig vom Leder gezogen. In der "Süddeutschen Zeitung" vom Freitag bricht der Manager des FC Bayern München offiziell mit Leverkusens Manager Rainer Calmund und dem ehemaligen Manager des SV Werder Bremen, Willi Lemke.
"Ich benutze den Namen Calmund nicht mehr, er ist für mich nicht mehr existent. Ich werde mit ihm kein Wort mehr wechseln. Sein Vernichtungswillen hat mich überrascht." Damit bekräftigte Hoeneß einmal mehr seine Vorwürfe, Leute wie Calmund hätten die Geschichte um den vermeintlichen Kokainkonsum des Leverkusener Ex-Coachs Christoph Daum vorsätzlich missbraucht, um ihn gezielt fertig zu machen. "Einige hatten sicher vor, mich zu vernichten", glaubt Hoeneß allen Ernstes. Ausgerechnet der Mann, der die bundesdeutsche Medienklaviatur für seine (und Vereins-) Interessen zu bedienen pflegt, wie kein anderer! Da lachen ja die Hühner!
Zu dem Ex-Manager von Werder Bremen, der sich auch trotz seinem neuen Amt als Bremer Schulsenator weiter zum Fußball zu Wort meldet, sagte er: "Ich möchte mit ihm nie mehr was zu tun haben. Erstaunlich, dass ein Mann mit einem solchen Charakter Minister eines Bundeslandes werden kann." Auch sein soeben wiedergewählter Vereinspräsident Franz "Beckenbumser" kommt nicht ungeschoren davon. Von ihm fühlt sich der Manager nicht ausreichend unterstützt: "Franz hat sich erst auf meine Seite gestellt, als er hörte, was ich wirklich gesagt habe. Er hat aber mit seinen ersten Äußerungen noch mehr Öl ins Feuer gegossen", erkärte Hoeneß enttäuscht.
Denn Großinquisitor Uli H. hat vor lauter Selbstmitleid seinen Einsatz verpasst. Dabei geschah es quasi vor seiner Nase, dass seinem Präsidenten mit einer Sekretärin des ruhmreichen Vereins ein "Mallörchen" unterlief, wie die Kumpel vom Boulevard augenzwinkernd verharmlosten. Die kaiserliche "Lichtgestalt" muss sich um ihren unbefleckten Ruf als Vorbild dennoch nicht sorgen. In der Machowelt des Fußballs ist solch ein "Fehltritt" allemal eine lächerliche Sünde - kann das nicht jedem von uns passieren? Und wer hätte gedacht, dass der Kaiser in diesem Alter noch so...? Was den potenten Präsidenten selbst offenbar auch am meisten beeindruckt hat. Aber Uli, immerhin hat Euch doch der Kaiser den ersten Höhepunkt der Saison beschert, also bitte nich gran-teln...
Die Konkurrenz marschiert im Bayern-Schatten mit
Derweil der Fußball-Konzern Borussia Dortmund ebenfalls mit seinem wiedergewählten Präsidenten Dr. Gerd Niebaum in eine neue Ära aufbricht. Bei der historischen ersten Jahreshauptversammlung nach dem Börsengang am 31. Oktober verkündete der Jurist in der Westfalenhalle einen Rekord-Umsatz von 184,4 Millionen Mark und auf Grund der Aktienerlöse von 260 Millionen Mark ein Vereinsvermögen der neu gegründeten Kommanditgesellschaft auf Aktien von 305,4 Millionen Mark. Damit sei die Borussia einer der vermögendsten Klubs in Europa oder sogar der ganzen Welt, sagte der seit 1986 tätige BVB-Boss und Manager Michael Meier sieht angesichts der neuen finanziellen Perspektiven alle Neider und Kritiker Lügen gestraft: "Als Kapitalgesellschaft kann man, selbst wenn man will, nichts mehr beschönigen. Einige haben sich auf die Zunge beißen müssen. Wir haben zum Beispiel lange nichts mehr aus München gehört". Die Bayern beeindrucken jedoch mit 283 Millionen Mark wirtschaftlich unangefochten weiterhin als umsatzstärkste "Macht der Liga".
Mitten in der BVB-Jahreshauptversammlung verdunkelte sich in der Westfalenhalle plötzlich die Beleuchtung, und auf der Großbildleinwand erschien Heiko Herrlich. Der eine oder andere Anwesende hatte Tränen in den Augen, als sich der an einem Gehirntumor erkrankte Torjäger in einer knapp zweiminütigen Videobotschaft erklärte und für die große Anteilnahme bedankte: "Ich möchte jedem einzelnen, der an mich gedacht hat, der für mich gebetet hat, ganz, ganz herzlich danken. Alles das gibt mir Mut und Kraft." Der fast 29 Jahre alte Stürmer bekräftigte erneut, dass die Bekanntgabe der Diagnose vor zwei Wochen, die von dem Vorsitzenden der Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV), Florian Gothe, als "Verletzung der Fürsorgepflicht" kritisiert worden war, auf seinen ausdrücklichen Wunsch geschah: "Ich bin froh, dass jetzt Klarheit über meinen Gesundheitszustand herrscht. Ansonsten hätte die Geschichte zu einem Spießrutenlauf für mich, meine Frau und meine Eltern werden können." Herrlich, der sich derzeit zu Hause aufhält, erklärte weiter: "Ich habe als Mensch viele schöne Seiten und glückliche Jahre erlebt. Vielleicht konnte ich das nicht immer wertschätzen. Ich danke Gott für diese Zeit und bin bereit, die schwierige Zeit, die ich jetzt durchlebe, anzunehmen, obwohl ich nicht weiß, wie sie ausgeht". Und abschließend: "Ich kann nicht die glücklichen Stunden im Leben von Gott annehmen, ihn aber in schweren Zeiten anzweifeln und fragen: Warum macht er das? Warum ich?" Da wird selbst der Hartgesottenste auf brutalste Weise daran erinnert, dass es eben doch mehr als Fußball geben
Kalle "Air Riedle" hört auf
Ein anderer Bayer setzt indes zum Landeanflug in die Heimat an. Der Weltmeister von 1990 wird im Mai 2001 seine Laufbahn beim englischen Zweitligisten FC Fulham beenden. "Mein Entschluss steht fest. Ich will nach meiner Verletzung noch mal den Anschluss finden und, wenn möglich, in die Premier League aufsteigen. Danach muss endgültig Schluss sein", sagt unser "Borussen-Held" Karlheinz Riedle. 14 Jahre Profi-Fußball mit Erfolgen für die Ewigkeit haben den 35-Jährigen ausgebrannt. "Im Moment fällt mir an jedem Morgen das Aufstehen schwer. Man muss wissen, wann es vorbei ist", sagte der kopfballstarke Stürmer, der in dem Londoner Vorort eine seiner schwersten Spielzeiten durchstehen muss. Nach erfolgreicher Vorbereitung setzte sein Nervenleiden im Halswirbelbereich den 42-maligen Nationalspieler noch vor dem ersten Saisonspiel im August wieder außer Gefecht. In zwei Wochen möchte der gelernte Metzger aus Weiler-Simmerberg im Allgäu endlich wieder am Training des Tabellenführers der First Division teilnehmen. Riedles Sternstunde scheint Lichtjahre entfernt: Am 28. Mai 1997 führte er den BVB mit zwei Toren beim 3:1-Sieg gegen Juventus Turin in München zum ersten Champions-League-Titel einer deutschen Mannschaft!Sein steiler Aufstieg begann 1986 in Berlin - mit dem Wechsel vom Oberligisten FC Augsburg zum Bundesligisten Blau-Weiß 90.
Ein Jahr später holte ihn Otto Rehhagel zu Werder Bremen. Hier gewann er 1988 seinen ersten Meistertitel. Im selben Jahr folgte der Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul. Im DFB-Pokalfinale 1989 schoß er zwar das Bremer 1:0 und musste dennoch am Ende den begehrten Pokal in Dortmunder Händen sehen. Bei der WM 1990 kam Riedle zu vier Einsätzen, im Finale gegen Argentinien saß er aber nur auf der Bank. Nach dem WM-Triumph in Italien heuerte der Offensivspieler (72 Tore in 207 Bundesligaspielen) bei Lazio Rom an und kehrte drei Jahre später nach Deutschland zurück. Es folgten mit dem BVB zwei deutschen Meisterschaften in Folge und der Coup in der "Königsklasse". Nach diesem Triumph jedoch wurde er von Nevio Scala aussortiert und versuchte sein Glück beim englischen Rekordmeister FC Liverpool. Bei den "Reds" stand er nach anfänglichen Torerfolgen aber stets im Schatten der Jungstars Owen und Fowler.
1. Trainerstation in Fulham
Borussia Dortmund präsentiert das aktuelle Vereinsvermögen: 305,4 Millionen Mark. In Zahlen: 305.400.000 deutsche Märker. Sicher, ein Papierwert, bedingt durch den Börsengang. Aber man darf ja mal spinnen: Dafür lassen sich locker zehn internationale Superstars á 30 Millionen verpflichten, oder 30 deutsche Nationalspieler á zehn Millionen. Oder, oder, oder...
Aber zurück zum Ernst. Die aktuellen Umsatzzahlen sind auch nicht schlecht: 184 Millionen (Dortmund), 283 Millionen (Bayern). Klare Belege. Die Liga boomt, aber nicht wirklich! Denn es gibt leider auch andere Zahlen. Die Einschaltquoten der Europapokalspiele. Der letzte Donnerstag - von den Begegnungen her eigentlich ein Fußball-Fernseh-Pflichttag für die ganze Nation. Doch diese vergnügte sich TV-mäßig größtenteils woanders. Als meistgesehenes UEFA-Cup-Spiel landete AS Rom gegen Hamburg auf Platz 4 der Zuschauertabelle. Noch dramatischer: der Quotenabsturz in der Gruppe der 14 - 49-Jährigen. Platz 1: Gute Zeiten schlechte Zeiten, Platz 3: Big Brother, Platz 5: Für alle Fälle Stefanie, und nur Platz 9 - der HSV. Ein vermeintlicher Knaller wie Berti Vogts´ Euro-Debut, das 4:4 zwischen Leverkusen und Athen, kam nicht mal in die Top Ten. Dieser Fall ist wirklich klar: Dem Fußball läuft die Jugend weg, er hat auch bei den Fans ein Nachwuchsproblem.
Sicherlich die Quittung für jahrelanges unkontrolliertes Wachstum! Für immer höhere TV-Honorare wird Fußball bis zur Übersättigung gesendet, das "Produkt Bundesliga" gnadenlos auf x-beliebige Werktage verteilt und zerstückelt. Samstags ab viertel nach fünf wurde im Land jahrzehntelang über die Bundesliga-Tabelle diskutiert. Letzten Samstag glotzte man um diese Zeit auf einen wertlosen Zwischenbescheid: Erst fünf von neun Partien waren gespielt. Noch sind gute Zeiten, aber, zum Beispiel, die jetzt "steinreichen Dortmunder" sollten schon mal was für schlechte Zeiten zurücklegen, denn mit den Quoten sinken auf Dauer auch die Einnahmen!