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Der BVB gehört nicht in eine European Super League

03.11.2018, 19:14 Uhr von:  Malte S.
Der BVB gehört nicht in eine European Super League

Der BVB ist in die Pläne einer European Super League involviert. Doch statt sich einer elitären Gesellschaft anzuschließen, sollte er dafür sorgen, dass die Schere zwischen großen und kleineren Vereinen nicht größer wird.

“Quo vadis, Borussia?” Hätte sich diese Überschrift in nunmehr 18 Jahren schwatzgelb.de nicht abgenutzt, sie könnte auch diesen Text betiteln. Denn der BVB steht in naher Zukunft vor einer richtungsweisenden Entscheidung. Eine, die nicht nur das Erlebnis von Stadionbesucherinnen und -besuchern maßgeblich verändern dürfte.

Wie Spiegel Online gestern unter Berufung auf Enthüllungen der Plattform Football Leaks berichtete, ist der BVB in fortgeschrittene Planungen einer europäischen Super League involviert. Demnach solle ab 2021 Schluss mit der Champions League sein. Stattdessen würden elf Gründungs- und fünf weitere Vereine fortan die European Super League ausspielen. Erstere genössen bis 2041 den Luxus der Unabsteigbarkeit und heißen laut Sportschau Real Madrid, FC Barcelona, Manchester United, Bayern München, Juventus Turin, FC Chelsea, Arsenal FC, Paris Saint-Germain, Manchester City, Liverpool FC und AC Mailand. Zu den sogenannten “anfänglichen Gästen” soll auch Borussia Dortmund gehören. Der neue Wettbewerb würde den Bruch mit der UEFA bedeuten.

Das Ziel: Mehr Kohle, geteilt mit weniger Vereinen

Eines muss man festhalten: Der Königsklasse könnte eine Reform durchaus guttun. Die Gruppenphase der bisherigen Champions League ist langweilig. Das Setzsystem verhindert frühe Duelle der (finanziellen) Schwergewichte weitgehend, sie kommen meist problemlos weiter. Spannend wird es für gewöhnlich erst ab dem Viertelfinale. Ist die European Super League deshalb ein legitimer Reformversuch? Mitnichten!

Die Verantwortlichen sind keine Wohltäter, die den Zuschauerinnen und Zuschauern spannenderen Fußball bieten möchten. Sie möchten vor allem mehr Geld – und das mit weniger Vereinen als bisher teilen. Sie möchten nicht, dass AEK Athen, Young Boys Bern, Roter Stern Belgrad oder Lokomotive Moskau künftig auch nur noch einen Krümel von ihrer Torte naschen.

Eine Entwertung der Bundesliga

Das ist in höchstem Maße unsolidarisch. Denn es wird dazu führen, dass die finanzielle Schere zwischen den Vereinen immer größer wird. Die Branchengrößen möchten eine geschlossene Gesellschaft, indem sie sportliche Kriterien für Auf- und Abstieg weitgehend abschaffen. Klubs wie Paris St. Germain möchten künftig keine K.O.-Spiele gegen Schachtar Donezk oder Beşiktaş Istanbul mehr riskieren. Kann ja nicht sein, dass die ganze Saison im Eimer ist, nur weil Neymar, Cavani und Mbappé in zwei Spielen mal Ladehemmungen haben. Es geht um Risikominimierung für diejenigen, die es ohnehin schon deutlich leichter haben.

Noch brenzliger wird es, wenn man auf die Auswirkungen für die nationalen Ligen schaut. LautSpiegel Online habe der FC Bayern gar juristisch den Ausstieg aus der Bundesliga prüfen lassen. Das kommt jetzt nicht überraschend, solche Pläne der europäischen Topklubs werden schon seit Jahren diskutiert. Und auch wenn Hans-Joachim Watzke und Karl-Heinz Rummenigge einem Austritt aus der Bundesliga noch deutlich widersprechen – bereits eine parallele European Super League wäre ein erster Schritt in diese Richtung. Zumindest würde eine europäische Eliteliga dieser Art die Bundesliga entwerten. Chancenungleichheit hin oder her, die europäische Wettbewerbe haben ihren großen Reiz auch, weil sich – zumindest theoretisch – jeder Verein über die Liga qualifizieren kann. Ein weitgehend geschlossenes System wie die geplante Super League würde die Bundesliga von der Spitzenklasse entkoppeln.

Der BVB darf sich zurecht geschmeichelt fühlen

Keine Frage: Es ist eine nette Anerkennung, dass der BVB unter den, wenn auch inoffiziellen, Top 16 Europas gelistet wird. Der Verantwortlichen haben in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet, den Verein nach einer Fast-Pleite wieder auf ein sicheres Fundament gestellt, Titel gewonnen und gezeigt, dass man in einer überdurchschnittlichen Saison auch die europäischen Spitzenteams durcheinanderwirbeln kann. Das kann man freilich auch von vielen anderen Vereinen sagen, die in der von Football Leaks veröffentlichten Auflistung fehlen, wie der SSC Neapel, FC Sevilla, AS Monaco oder Lazio Rom. Unlogisch wäre eine Aufnahme des BVB gemessen an den Maßstäben der Verantwortlichen aber nicht, zumal er in Europa als Zuschauermagnet gilt.

Doch am Rheinlanddamm darf man nicht vergessen, dass es sich um einen Eliteverbund handelt, der vor zehn Jahren noch auf den BVB hinab geblickt haben dürfte. Und mag der Fußball unter Lucien Favre uns im Moment auch ein Leuchten in die Augen zaubern: Wie anfällig die Borussia ist, hat die vergangene Saison mehr als deutlich gezeigt. Wer kann versprechen, dass die Gründungsvereine den BVB nicht wieder fallen lassen, wenn sich so etwas wiederholt?

Der Verein muss sich entscheiden, auf welcher Seite er stehen möchte

Doch das Ganze ist auch eine Prinzipiensache. In den Niederlanden sorgt gerade eine Idee für Aufsehen, wonach Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven und Feyenoord Rotterdam zehn Prozent ihrer Champions-League-Einnahmen, wenn auch unter Bedingungen, den übrigen Vereinen der Eredivisie überlassen möchten. Der BVB würde mit einem Schritt in die European Super League genau das Gegenteil tun. Er würde sich der ohnehin schon sehr fragilen Solidargemeinschaft der DFL weiter entziehen. Die Durchlässigkeit, die sportlichen Wettbewerb eigentlich ausmacht, würde geringer, wenn man sich gemeinsam mit dem FC Bayern noch mehr als bisher an den europäischen Fleischtöpfen bedienen würde.

Weil das System in der Bundesliga bereits jetzt verkorkst ist und die großen Vereine dabei unterstützt, sich weiter von den kleineren abzusetzen, ist es umso wichtiger, dass der BVB sich für einen ausgeglicheneren Wettbewerb und eine faire Umverteilung der Einnahmen in der Bundesliga einsetzt. Für Bayern, Dortmund oder Leipzig ist die Fallhöhe bei strategischen Fehlentscheidungen geringer, dank ihrer finanziellen Möglichkeiten können sie mit Investitionen einfacher gegensteuern, und ein Transferflop fällt mit etwas Glück nicht so sehr ins Gewicht. Auf der anderen Seite stehen Vereine wie der FC Augsburg, FSV Mainz oder der SC Freiburg, die gemessen an ihren Budgets seit Jahren erfolgreich arbeiten, aber in die Röhre schauen, weil die DFL und die UEFA ihre Prämien nicht nach relativem Erfolg ausschütten, sondern nach dem absoluten.

Fragen über Fragen an die Vereinsführung

Und man kann den Bogen durchaus weiter spannen: Der Dembélé-Transfer hat beispielsweise gezeigt, dass Ablösesummen jenseits der 100-Millionen-Grenze für vehementes Kopfschütteln bei vielen Fans sorgen. Welche Wirkung hätte es, wenn der BVB nun Teil einer nach unten geschlossenen Elite würde, wo nicht nur solche Summen mittlerweile zum Tagesgeschäft gehören? Während Menschen sich anderswo Sorgen machen müssen um bezahlbare Mieten, gute und fair bezahlte Pflege oder ob ihre Rente bis Monatsende reicht, wird der Fußball immer mehr zur Parallelgesellschaft.

Der BVB muss sich nun einige Fragen gefallen lassen: Welche Rolle spielt(e) er bei den Planungen der European Super League? Wann hatte er vor, angesichts der geheimen Planungen seine Fans und Mitglieder zu informieren? Ist der Wettbewerb mit Blick auf Austragungsorte und Anstoßzeiten auf den europäischen Markt zugeschnitten oder eher auf Asien und die USA? Nimmt der Verein es zur Konsolidierung seines eigenen Erfolgs in Kauf, einen geschlossenen elitären Wettbewerb zu unterstützen, mit den entsprechenden Folgen für die Kleineren? Und am Ende dann eben doch: Quo vadis, Borussia?

2008 haben die BVB-Mitglieder die “50 plus 1”-Regel in der Satzung des e. V. verankert. Ein Beispiel dafür, dass auch Fußballvereine von Zeit zu Zeit beantworten müssen, wo und wofür sie stehen. Scheint, als wäre es bald mal wieder so weit.

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