Warmlaufen

Wenn nervige Freiburger plötzlich sympathisch werden

24.02.2017, 21:30 Uhr von:  Redaktion

Heimfans in FreiburgIch muss Abbitte leisten. Was haben mich der SC Freiburg und seine Fans früher genervt! Tufftuff, knuff die töften Freiburger kommen. „Hurra das ganze Dorf ist da!“ - was ist mir diese durch die Medien transportierte Attitüde auf den Zeiger gegangen. Ähnlich wie damals beim FSV Mainz 05 habe ich mich gefragt, was der Scheiß soll und wer solche Vereine braucht? Die Fahrt dorthin hat genervt, die Polizei vor Ort ist mit "unentspannt" noch diplomatisch beschrieben und der Ordnungsdienst ist unter aller Kanone. Dazu kommen die Wutbürger rund um das Stadion, die selbst ein Megaphon Samstagnachmittag als zu große Lärmbelästigung in ihrer spießer Idylle empfinden und bei mir den glauben bestärkten, dass es rechts von der CDU eben doch noch den baden-württembergischen Landesverband der Bündnis 90/Die Grünen gibt. Die Stadt selber hat sich aber noch nie gegenüber Fußballfans (seien es Gäste- oder Heimfans) als besonders angenehmer Partner dargestellt und so bleibt immer das Gefühl: Man ist eher Belästigung denn Gast.

Heute bin ich froh, dass die Bundesliga noch Vereine wie Freiburg und Mainz hat. Vereine die beweisen, dass man ohne große Investoren, ohne Großsponsoren und mit relativ bescheidenden Mitteln erstklassigen Fußball spielen kann. Hin und wieder schaffen es diese beide Vereine mit viel Geschick und cleverer Kaderplanung bis in die Euroleague. Ich gönne es ihnen mittlerweile und habe einen Heiden Respekt vor der Arbeit, die dort geleistet wird. In Zeiten von Leipzig, Wolfsburg, Hoffenheim und Leverkusen verdient das wirklich Anerkennung.

Christian Streich im WestfalenstadionDas der SC keine Eintagsfliege ist, zeigt deren Geschichte seit den 90igern. Wer denkt nicht noch an die Freiburger unter Volker Finke mit Jörg Heinrich, Jörg Schmadtke, Jens Todt und Rodolfo Esteban Cardoso? Oder ein paar Jahre später mit Richard Golz, Levan Kobiashvili, Levan Tskitishvili und Alexander Iashvili? Alles unter einem Trainer der immerhin von 1991 bis 2007 unaufgeregt eine sehr bemerkenswerte Arbeit verrichtete. Das gab es schon in den 90igern kaum zu erleben und heutzutage ist das fast undenkbar.

Mittlerweile hat der SC Freiburg mit Christian Streich einen neuen Trainer, der aber ebenso bemerkenswert ist. Neben der mit den gegebene Mitteln sportlich sehr erfolgreichen Arbeit, äußert sich dieser Trainer immer wieder zu gesellschaftspolitischen Themen mit seiner wohltuenden und nachdenklichen Art, die in Zeiten der medialen Hysterie sich sehr angenehm abhebt. Das ist insofern besonders erwähnenswert, weil die Fußballbranche es ansonsten in großen Teilen meidet wie der Teufel das Weihwasser zu gesellschaftlichen Themen Haltung zu zeigen. Allerdings muss man sich auch fragen, wie echt eine solche Haltung in einer von den Spitzen der Verbände aus verdorbenen Gemeinschaft, die für Geld eigentlich kaum moralische Bedenken kennt, ist. Insofern kann man mit Blick auf Freiburg fast romantisch werden und das Dorf im Breisgau zu den letzten Galliern hochfeiern.

Sokratis mit Maximillian im ZweikampfDoch auch an Freiburg zieht die Welt nicht spurlos vorbei und Christian Streich ist kein Miraculix. Man ist nur irgendwie ein bisschen cleverer als viele vermeintliche Experten im deutschen Fußball. Dennoch wird auch hier ein Stadionneubau sehr ernst diskutiert, vermutlich außerhalb irgendwo in der Pampa (davon haben sie Baden-Württemburg sehr viel!). Mit Blick auf den miserablen Gästeblock kann man das sogar gut finden, man muss nur hoffen, dass es keine 08/15 Arena wird, sondern weiterhin den Fans großzügige Stehplatzbereiche erlaubt. Ein bisschen wehmütig, darf man dann aber schon werden. Wichtig ist, dass der Verein nicht wie mancher Club aus Nordrhein-Westfalen am neuen Stadion zu Grunde geht.

Sportlich erwartet die Dortmunder ein wirklich guter Gegner. Die Breisgauer stehen auf einen ordentlichen neunten Platz und sind quasi in Schlagdistanz zur Euroleague. In den letzten Jahren konnte der BVB die Herausforderung Freiburg immer gut meistern, was vermutlich auch damit zusammenhängt, dass das Freiburger Team aus seinem Selbstverständnis heraus „mitspielt“ und nicht zwei 5-Mann-Abwehrreihen aufzieht. Dafür hat das Team von Christian Streich mit Niederlechner, Maximilian und Petersen drei sehr torgefährliche Offensivspieler, die der wackligen BVB Abwehr einige Aufgaben stellen könnten. Die Quote auf ein 0:0 Spiel dürfte auf jeden Fall sehr hoch sein. Sollte einer der drei verdächtigen Schiedsrichter dabei sein, können wir uns eventuell auf ein Schützenfest einstellen.

Aubameyang mit TorflauteHier wird es nicht nur auf den Ex-Freiburger Bürki ankommen, dass der Dortmunder Kasten nicht zu oft durch einen Ball im Netz beglückt wird, sondern die ganze Mannschaft wird in der Pflicht sein, nach hinten mitzuarbeiten. Bei der Aufstellung wird es wohl von Tuchel keine großen Überraschungen geben. Bezeichnend ist, dass die Ruhrnachrichten titeln, der "BVB reist ohne Personalprobleme nach Freiburg". Eingepreist ist offensichtlich, dass 25 Mio.-Mann Götze und 12 Mio.-Mann Rode gar nicht dabei sind. Solche "nicht" Personalprobleme hätten 16 Bundesligavereine gerne. Ob der 30 Mio.-Kicker Schürrle in der Startelf steht, ist indes noch ungewiss. Wichtiger erscheint den meisten Borussen derzeit sowieso, dass Dembélé und Guerreiro fit sind, wenn dann noch bei Aubameyang endlich der Rückrundenknoten platzt, könnte es ein für die Schwarzgelben unterhaltsames Spiel werden.

Für die Rahmenbedingungen ist auf jeden Fall gesorgt. Ein ausverkauftes Dreisamstadion erwartet ein Spiel zur besten Zeit am Samstag 15:30 bei bis zu 10 Grad und Sonnenschein. Eigentlich fast alles so, wie es sein sollte.

Nicolai, 24.02.2017

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel