Warmlaufen

Wie gut sitzt der zweite Anzug?

26.08.2015, 18:04 Uhr von:  Redaktion

Bisher überraschend wenig wechselfreudig: Thomas TuchelWorauf ich mich bei Thomas Tuchels Amtsantritt besonders gefreut hatte, war das in Dortmund in Aktion zu sehen, was das Spiel seiner Mannschaften in Mainz auszeichnete: Vollkommen variabel zu agieren, Aufstellung und System auf den Gegner abzustimmen und dabei die ganze Tiefe des Kaders auszunutzen. Gerade nach der letzten Saison, die die Limitiertheit einer ausschließlich defensiven Orientierung aufgezeigt hatte, erschien es mir attraktiv, einen Trainer zu haben, der sich nicht auf eine spezielle Spielweise eingrenzen lässt und uns auf der Tribüne tatsächlich auch einmal überrascht. Und was soll ich sagen? Bisher enttäuscht Thomas Tuchel in dieser Hinsicht auf ganzer Linie. Das System ist das altbekannte 4-2-3-1, und bereits nach wenigen Pflichtspielen hat sich eine klare Stammelf herauskristallisiert, von der im Wesentlichen nur wegen Verletzungen oder "zur Belastungssteuerung" abgewichen wird. Nur der Fußball ist tatsächlich ein anderer. Zum bereits bekannten Gegenpressing gesellt sich schon in dieser Frühphase der Saison eine lange nicht gekannte Ballsicherheit, die von einem Quantensprung in der Fitness einiger tragender Säulen (Hummels, Schmelzer, Gündogan — um nur drei zu nennen) garniert wird. Aber ansonsten relativ wenig Umbruch, wo man viel mehr umgedrehte Steine hätte vermuten können.

Und nun also wieder Odds BK. Wir sparen uns diesmal den Wortwitz und konstatieren schlicht: Es ist schwer vorstellbar, dass morgen etwas schief geht. Zu offensichtlich war die Dominanz in den letzten 60 Minuten des Hinspiels, und am Ende stand sogar ein Ergebnis zu Buche, mit dem man für das Rückspiel hervorragend arbeiten kann. Womit sich die Frage stellt, ob wir diesmal von Thomas Tuchel überrascht werden und wenigstens eine personelle Rotation (von einer Veränderung im System ganz zu schweigen) ansteht. Und um gleich die nächste Frage hinterherzuschieben: Wer bietet sich, vom angekündigten Wechsel im Tor abgesehen, denn überhaupt aus der zweiten Reihe an?

Zum Start in Wolfsberg war die Bank noch gut gelaunt...Ich nehme an, dass ich nicht der Einzige bin, dem auf die Schnelle wenige Kandidaten einfallen. Verletzungsbedingt erzwungen waren die Einsätze von Gonzalo Castro, Neven Subotic und Matthias Ginter in der Defensive, wobei selbst den beiden Letztgenannten bisher bestenfalls solide Leistungen attestiert werden können. Das ist im aktuellen Stadium auch kein Drama, da alle entweder von Verletzungen zurückkamen (Subotic) oder auf ungewohnten Positionen spielen mussten (Castro, Ginter), aber wirklich aufgedrängt hat sich noch niemand, um das Niveau der nominell besten Viererkette (Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer) zu erhöhen. Selbiges gilt im zentralen Mittelfeld: Man muss mit Lobeshymnen auf Julian Weigl vorsichtig sein, aber für Sven Bender wird es schwierig sein, im 4-2-3-1 in nächster Zeit wirklich viele Einsätze zu kriegen. Dafür ist Weigl schlicht zu ballsicher und harmoniert mit dem ebenfalls exzellenten Ilkay Gündogan zu sehr. Auch Neuzugang Gonzalo Castro, eigentlich der gefühlte Königstransfer in der Sommerpause, hinterließ in der Zentrale nicht annähernd so viel Eindruck wie das Duo Weigl/Gündogan. Und selbst in der Offensive führt wenig an Reus, Kagawa, Mkhitaryan und Aubameyang vorbei. Alle vier sind torgefährlich, ohne ihre besser postierten Mitspieler zu übersehen, alle vier harmonieren wechselseitig und bringen ihre individuellen Stärken ohne wesentliche Abstriche ein. Allenfalls Jonas Hofmann konnte mit Torbeteiligungen in Wolfsberg und Ingolstadt derart auf sich aufmerksam machen, um als erste Alternative in der Offensive zu gelten. Adrian Ramos wirkt nach Verletzung solide, braucht aber sicher noch etwas Zeit, und bei Kevin Kampl ist weiterhin die Frage, was ihn als Spieler außer einer Menge Engagement eigentlich auszeiAlle in Topform: Kagawa, Reus, Aubameyang, Schmelzerchnet.

Vielleicht ist es also gar nicht eine Veränderung im Konzept des Thomas Tuchel, sondern bloß die Einsicht in die Notwendigkeit, dass er es erstmal mit einer klaren Stammelf versuchen will. Verbunden mit der Hoffnung, dass im weiteren Saisonverlauf sowohl wichtige Alternativen (Durm, Sahin, Kuba) zurückkommen als auch einige der genannten Spieler ihre Leistung so an das Niveau ihrer Mitspieler anpassen, dass sich variabel im Personal und in der Formation agieren lässt. Bis dahin dürfte das morgige Spiel eines der wenigen Beispiele sein, wo an einigen Stellen ohne Not getauscht wird. Wo das sein wird: Keine Ahnung. In meinem Tipp lasse ich mich mal von der "Belastungssteuerung" leiten. Kann aber auch ganz anders aussehen. Nur was die Aufstellung für Sonntag gegen Hertha angeht, da bin ich mir sicher.

Borussia Dortmund: Weidenfeller - Sokratis, Subotic, Ginter, Schmelzer - Weigl, Castro - Hofmann, Kagawa, Reus - Ramos

Odds BK: "They have good players. I don't know all the names." — Mats Hummels

Scherben, 26.08.2015

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