Ilkay Gündogan und der Blick in die Fanseele
Wenn man im Moment durch Foren und soziale Netzwerke schaut, gibt es einen Tenor, der sich bei vielen BVB-Fans abzeichnet: Ilkay Gündogan ist ein Schwein und muss am besten sofort weg. Liest man die Posts, ist man teilweise geneigt zu glauben, dass Gündogan den Eingang zum Westfalenstadion blau-weiß gestrichen haben muss. Mindestens. "Sofort weg", "der soll sich verpissen", "so einen brauchen wir nicht".
Dabei hat sich Ilkay nicht unmoralisch verhalten. Nur unfassbar dämlich.
In Superkurzform: Ilkay Gündogan war einer unserer stärksten Spieler, hat sich für einen Wechsel zu europäischen Topclubs in Stellung gebracht – bevor seine 14-monatige Verletzungspause ihn zurückwarf. Nach der einjährigen Vertragsverlängerung – die nichts anderes als eine Verschiebung des Status quo war – wollte Gündogan immer noch weg und hat daher das Angebot des BVB abgelehnt. Dummerweise wollte ihn aber keiner der Spitzenvereine mehr. Zumindest nicht zu seinen Gehaltsvorstellungen, weswegen Gündogan im Moment nur der BVB bleibt. Doof. Vor allem für ihn.
Der einzig Geschädigte in dem Fall ist nämlich: Ilkay Gündogan, der nicht nur keinen neuen Verein gefunden hat, sondern der nun auch noch öffentlich wie ein Vollidiot dasteht. Und das völlig zu Recht, weil er sich wie einer benommen hat. Aber man kann sich eben auch moralisch integer zum Horst machen.
Nimm Dir einen Berater, der das Geschäft kennt
Vielleicht sollte in Ilkay Gündogan die Erkenntnis reifen, dass das Wort "Vater" sich zwar auf "Berater" reimt, das aber in seinem Fall die einzige Übereinstimmung zu sein scheint. Man muss schon wenig Ahnung von der Branche haben, um seinen Klienten – der nun auch noch der eigene Sohn ist – in so eine doofe Situation zu bringen. Wäre man zynisch, würde man sagen: Nimm Dir keinen Berater aus Gelsenkirchen, die können nix. Weniger zynisch formuliert: Nimm Dir einen Berater, der das Geschäft kennt und weiß, wie hoch man pokern kann. Der Verlauf der Verhandlung von Gündogan und seiner Familie – oder wie es abwertend gerne heißt "Der Gündogan Clan" – hat tragikomische Züge. Das kann uns aber egal sein. Er hat sich ja nicht als Nachfolger von Susi Zorc beworben. Da wäre er in der Tat durchgefallen.
So doof die Situation für Ilkay persönlich aber ist, den BVB hat er nicht geschädigt. Im Gegenteil. Die Vereinsführung des BVB hat nun alle Trümpfe in der Hand, weil Gündogan nur noch einen Verhandlungspartner hat. Verlängert er nicht, müsste Ilkay damit rechnen, dass der BVB einen Nachfolger holt und er sich auf der Tribüne wiederfindet. Gündogan hätte dann in drei Jahren als Profi nur eines gespielt. Was das für seine Karriere bedeutet, kann sich jeder ausrechnen.
Moralisch ist Ilkay nichts vorzuwerfen
Gündogan ist schlecht beraten worden, aber er hat weder Treueschwüre für den BVB ausgesprochen, um kurz danach zu wechseln wie ein gewisser Professorensohn, noch hat er seine Berater öffentlich gegen den BVB in Stellung gebracht wie ein gewisser polnischer Nationalstürmer. Moralisch ist Ilkay wirklich nicht das Geringste vorzuwerfen. Der Wunsch, mehr Geld zu verdienen, ist normal und ein unsauberes Spiel ist nicht zu erkennen.
Trotzdem tobt die Fanseele, weil der Nationalspieler nicht für den Rest seines Lebens dem BVB die Treue geschworen hat. Viele Fans kommen einfach nicht damit klar, dass der Ballspielverein eben für Berufsfußballer nicht so wie für uns das absolute Nonplusultra ist. Ein Berufsfußballer hat dem BVB bitte lebenslange Treue zu schwören. Das gilt aber natürlich nur, so lange der Spieler seine Leistung bringt. Wenn nicht, dann wird derselbe Spieler auch gerne mal mit Mistgabeln vom Hof gejagt, bzw. hat sich "bitte sofort zu verpissen".
Die Bigotterie der Fans
Und hoffentlich so gut spielt, dass wir ihn in zwei Jahren für teures Geld nach Barcelona verkaufen. Dann sind beide Seiten glücklich.
geschrieben von Marc Quambusch
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