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Sicherheit im Stadion: Spanien - Moderne Bullenkämpfe vor maroden Arenen

03.09.2014, 11:57 Uhr von:  Redaktion

Das Camp Nou in BarcelonaEnde des Jahres 2012 wurde im deutschen Fußball das Papier "Sicheres Stadionerlebnis" verabschiedet. Doch wie sieht es in unseren Nachbarländern aus? Unsere Serie beschäftigte sich bereits mit den Verhältnissen in Österreich, der Türkei, Schweden, der Schweiz, Belgien, Italien, den Niederlanden und Frankreich. Heute schauen wir auf die Situation in Spanien.

Um die ganze Thematik gleich zu Beginn dieser Ausführungen auf den Punkt zu bringen, kommt man nicht umhin, Folgendes zu konstatieren: Die generelle Sicherheit für Besucher von Fußballspielen in und außerhalb der spanischen Stadien ist gegeben. Nun wäre dieser Text, verglichen mit den extremeren Vorgänger-Betrachtungen aus der Türkei, Holland oder auch Italien, dementsprechend also schon fast am Ende seines Lateins.

Doch wie so oft gibt es auch hier ein ABER. Ist die Rede von genereller Sicherheit in spanischen Spielstätten, bezieht sich diese Aussage doch eher auf Aktivitäten von Hooligans, den Einsatz von Pyrotechnik oder auch tiefgreifende, rein fußballerische Rivalitäten zwischen bestimmten Klubs.
Hooligans sind im spanischen Profifußball eine Ausnahme und in und um Stadien so selten anzutreffen wie katalanische Spieler in Bilbao. Es gibt jedoch einige Ultragruppierungen, deren Gruppenkonzepte sich von denen anderer Länder unterscheiden und die Grenzen zum Hooliganismus aufweichen. Doch auch hier gilt, dass diese Randerscheinungen kaum eine Bedrohung für ein sicheres Stadionerlebnis darstellen.
Die Probleme für Besucher von Fußballspielen – und ich nutze in Bezug auf die Primera Division bewusst den Term „Besucher von Fußballspielen“ anstelle von Fans – liegen vielmehr in anderen Bereichen, die man in vielen europäischen Ligen erst gar nicht als Problemfelder identifizieren würde.

Marode ist noch nett gemeint

Baufälligkeit im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán - SevillaNumero uno auf der Liste von Sicherheitsmängeln für Zuschauer ist der marode, teilweise schon antike Zustand vieler Stadien. Gebaut in einer Zeit, als Lionel Messis Großmutter noch in die Windeln machte, haben viele Arenen eine Generalüberholung bitter nötig. Kabel, rostige Nägel, lose Treppengeländer, herausgebrochene Stufen: Überspitzt gesprochen, könnte man behaupten, dass der Alltag am Wochenende von der Observierung der Umgebung bestimmt wird. Ganz nach dem Motto: Welchen Weg muss ich wählen, um möglichst ohne umzuknicken oder die Gefahr einer fiesen Schnittwunde an den Händen die Toilette oder den Bierstand zu erreichen?
Die WM 1982, das letzte große Turnier in Spanien, liegt mittlerweile schon ein paar Dekaden in der Vergangenheit, und das sieht man an vielen Ecken. Die angespannte finanzielle Situation vieler Vereine lässt keinen Spielraum für kostspielige Restaurationen, so wird immer nur das Nötigste investiert, um hier und da ein wenig auszubessern. Die im Vergleich mit Deutschland sicherlich nicht ganz so strengen Regularien spielen den Verantwortlichen, deren Gürtel schon mehr als eng geschnallt zu sein scheinen, dabei in die Karten.

Die Polizei, kein Freund und Helfer

Polizeiaufmarsch vor einem CL-SpielWer den BVB im Jahr 2010 zum Europa League Auswärtsspiel nach Sevilla begleitet hat, weiß, womit sich dieser Absatz beschäftigen wird. Und auch sonst hat der eine oder andere sicherlich schon Gruselgeschichten über die spanische Staatsgewalt aufgefangen. Rücksichtslos und ohne den Hauch von Verantwortung gegenüber menschlichen Wesen gingen die Truppen der Polizei damals gegen schwarzgelbe Anhänger vor. Auch Auswärtsfahrer von Frankfurt, Hannover und Freiburg mussten schon ähnliche Erfahrungen in Spanien über sich ergehen lassen. Die Tendenz geht wohl dahin, dass sich spanische Polizisten eher austoben, wenn Ausländer involviert sind – Revier markieren und Stärke demonstrieren. Aber auch bei rein spanischen Fußballduellen kommt es regelmäßig zu Problemen. Oftmals sind die unstrukturierten Einlasskonzepte schuld, die zu größeren Ansammlungen an den Eingängen führen. Wird ein Einschreiten der Polizei erforderlich, kommt auch schnell mal der Knüppel aus dem Sack. Noch anders verhält es sich mit der sogenannten Guardia Civil, die bei manchen Begegnungen eingesetzt wird – wenn Kompromisslosigkeit und entsprechende Härte erforderlich wird, treten die Sondertruppler in Erscheinung. Ein Insider verriet mir einst, dass einige Mitglieder dieser paramilitärischen Einheit bei Fußballspielen den besonderen Kick suchen und gern mal über die Stränge „schlagen“. Generell hat die Polizei in Spanien nicht den besten Ruf und tut auch nicht wirklich viel, um diesem Trend entgegenzuwirken.

Ein weiterer Grund für die „Sonderbehandlung“ von ausländischen Gästefans liegt im Fakt, dass innerhalb der Primera Division normalerweise wenig bis gar keine Gästefans anzutreffen sind – fehlende Erfahrungswerte sollten hier aber keinesfalls als Ausrede herhalten. Reisen für den Fußball zählt also nicht zu den Hobbys der Spanier...

Politische Interessen als Gefahr

"Gerechtigkeit für Málaga"Wie bereits im ersten Absatz kurz erwähnt, sind Rivalitäten zwischen Vereinen und deren Auslebung anders zu bewerten als Beispielsweise in der Bundesliga oder in England. In Spanien wird viel Politik auf und in den Fußball übertragen. Die Bestrebungen bestimmter Regionen nach Unabhängigkeit zählen hier in großem Maße hinein, genauso wie leider nach wie vor aktuelle Ansichten und Einstellungen aus der Franco-Zeit. Die Aufgabe des spanischen Verbandes für die Zukunft sollte sein, dem ohnehin schon gefährdeten Vereinsfußball nicht noch mehr politische Bürden aufzudrängen.

Fußball in spanischen Stadien ist trotz extrem rückläufiger Zuschauerzahlen – die Begründung ist natürlich in den extrem hohen Eintrittspreisen zu finden – nach wie vor beliebt. Viele Spanier mögen es, mit der ganzen Familie ihren Klub spielen zu sehen und dabei genüsslich auf Sonnenblumenkernen herum zu kauen.
Die Rivalität zwischen den beiden (alleinigen) Schwergewichten Barca und Real ist allgegenwärtig. Vergangene politische Gegebenheiten liegen dieser dauerhaften Rivalität zu Grunde. Ein Vergleich zu „Clásicos“ in anderen Ländern wäre dennoch nicht standhaft. Fragt man spanische Fußballanhänger nach ihren Lieblingsvereinen, ist die Antwort entweder Real oder Barca. Hinzu kommt meist dann noch ein Lokalteam, das man aufgrund des Wohnortes oder der Herkunft unterstützt. Es ist auch nicht selten, dass trotz einer Real-Affinität der Lieblingsspieler in den Reihen von Barcelona zu finden ist, oder umgekehrt – hier in Deutschland undenkbar.

Zur größeren Gefahr könnten dann doch eher noch die wuseligen Schwarzmarktabzocker werden, die tendenziell an jeder Stadionecke bei fast allen Spielen anzutreffen sind. Vorsicht vor der Abzocke! Diese gut organisierten Banden sind unermüdlich, wenn es darum geht extrem überteuerte (oftmals gefälschte) Tickets an den Fan zu bringen. Gutgläubige (asiatische) Touristen sind das beliebteste Ziel, aber auch vor einheimischen machen die Betrüger keinen Halt.

Fazit: Sicher, aber…

Estadio Nuevo Los Cármenes: Heimstätte des FC GranadaDer spanische Fußball hat sicherlich schon bessere Zeiten gesehen, wobei die Sicherheit in den letzten Jahren im Gegensatz zu anderen Bereichen keinen Einbruch zu verzeichnen hat. Wer ins Stadion geht, hat eigentlich nichts zu befürchten, solange Politik nicht zum Gesprächsthema wird, Schwarzmarkthändler mit ihren Tickets vergeblich in der Gegend herumwinken und man Ansammlungen von Polizisten geschickt umsteuert. Hasta luego!

Tim, 03.09.2014

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