Über Tapas und Wein ziehen wir ins Halbfinale ein
Als der Mann, dessen Namen einer weiteren deliziösen Produkt-Aufstockung einer bekannten Fast-Food-Kette gleicht, die weiße Kugel aufschraubt, halte ich den Atem an. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf und ich denke nur: Los, nun lies schon den verdammten Namen vor. Dann ist es soweit und Steve McManaman schaut auf den kleinen Zettel und spricht in seinem durchaus amüsanten Merseyside-Englisch die magischen Worte. Borussia Dortmund! Málaga gegen den BVB! Und ich lass die Socken fallen und koch mir Schokopudding. Was ein Los! Das Grinsen hört einfach nicht auf und so verpasse ich den Rest der Auslosung, der mir ohnehin gekonnt am Hinterteil vorbeigeht.
Unsere Borussia reist also nach Andalusien. Dorthin, wo ich bereits im August meine Zelte aufschlug und seitdem die Sonne genieße. Von meiner Wohnung in der Calle Don Juan de Austria sind es in Flipflops handgestoppte sechs Minuten bis zum Stadion, dessen zur Flussseite gelegene Osttribüne ich beim täglichen Joggen gekonnt links liegen lasse. Und so weiß ich natürlich auch, warum diese Partie nur für mich ein klassisches Glückslos (sorry für den Egoismus) darstellt, dagegen aber ein eher unglückliches Los für den schwarzgelben Anhang ist. Denn logischerweise weiß ich um das Kapazitätenproblem des Estadio „La Rosaleda“. Die reisewütige schwarzgelbe Meute kommt bei Weitem nicht auf ihre Kosten. Ansonsten passt ja eigentlich alles. Eine Spielstätte der Marke „Camp Nou“ in Málaga, und alle wären happy. Doch so werden es jetzt nur knapp 2.500 (plus minus 500) Schlachtenbummler sein, die weit im europäischen Süden das schwarzgelbe Liedgut lautstark anstimmen werden.
Mit dem „ansonsten passt ja eigentlich alles“ spreche ich zwei Bereiche an, die separat betrachtet werden sollten. Zum einen wäre da der Reiseaspekt – also der typische „was gibt es so zu sehen und wo kann ich günstig Biere schütten“-Kram. Und zum anderen dürfte das Sportliche ja auch nicht ganz so unwichtig sein.
Jetzt also erst einmal zu den touristischen Sachverhalten.
In der ersten Strophe der Vereinshymne unseres Viertelfinalgegners heißt es so schön „Màlaga – Flor de la Costa del Sol“ – und genau das ist die andalusische Metropole auch, die Perle der Costa del Sol. Mein Blick ist sicherlich mehr als nur subjektiv gefärbt, wenn ich sage, dass jeder, der das Vergnügen hat, Málaga etwas näher kennenzulernen, begeistert sein wird. Enge Gassen mit unzähligen Cafés und Restaurants, Parks und Palmen, Berge vor den Toren der Stadt, verträumte Strandpromenaden, ein charmanter Hafen und Sonne, soweit das Auge reicht. Und dann ist da ja auch noch die andalusische Mentalität, die man einfach gernhaben muss. Unbeschwertheit und Lebensfreude liegen spürbar in der Luft. Krise und alles, was zurzeit sonst noch so nervt, muss draußen bleiben.
Das spezielle Flair der Tapas-Bars ergreift recht schnell Besitz von Touristen und solchen, die es eigentlich nicht sein wollen, aber durch ihre gestresst mitteleuropäische Art unweigerlich auffallen. Die Picasso-Stadt (überall steht sein Name, doch dass der Pinselschwinger schon früh das Weite suchte, wird oftmals verschwiegen) ist keine Großstadt im traditionellen Sinne, denn vor allem das Zentrum wirkt doch sehr klein – und genau hierin liegt auch der Charme Málagas. Kurze Wege und die Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln im Bereich des Zentrums sorgen dafür, dass man die meisten der Sehenswürdigkeiten, allen voran die Alcazaba (eine sehr gut erhaltene maurische Festung aus dem 11. Jahrhundert), zu Fuß erkundschaften kann. Zu sehen gibt es also eine ganze Menge, zu trinken und zu tanzen natürlich auch. Als kleinen Tipp für die Leute vor Ort, zwei Spezialitäten die sein müssen: Der süße Hauswein im „El Pimpi“ (gegenüber der Alcazaba), der aus Málaga und Umgebung stammt und Churros (mehr oder weniger Fettgebäck) mit heißer Schokolade im Zentrum. Und sowieso sollte sich jeder an den Tapas erfreuen, die in vielen Lokalitäten kostenlos zum Bier gereicht werden. Kulinarisch geht so einiges…
… aber auch fußballerisch sollte dieser Vorbericht ja noch ein bisschen was zu bieten haben, also geht’s an dieser Stelle weiter mit sportlichen Aspekten…
Leute, es ist Champions League. Leute, wir stehen im Viertelfinale dieses Wettbewerbs! Und hier soll das Abenteuer natürlich noch nicht enden. Zwischen uns und das Halbfinale setzte die Losfee mit dem lockig goldenen Haar also den C.F. Málaga, eine Truppe, die ähnlich wie unser Ballspielverein im bisherigen Turnierverlauf überrascht hat. Und ähnlich wie bei den Herren in Schwarz und Gelb – Achtung, jetzt folgt Jammern auf hohem Niveau – läuft es für die Andalusier in der Königsklasse teilweise besser als auf nationaler Ebene. Erstmalig in der Champions League vertreten, stellte die Vorrunde für unseren Kontrahenten keine allzu große Hürde dar. Den namhaften AC Milan und die Millionarios von Zenit St. Petersburg ließ man hinter sich, Anderlecht spielte ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Ungeschlagen und als Tabellenerster zog der Gruppenaußenseiter (Parallelen erkannt?) ins Achtelfinale ein, wo der FC Porto wartete. Die 1:0-Niederlage im Hinspiel in Portugal war tatsächlich der erste wirklich schwache Auftritt der von Trainerlegende Pellegrini trainierten Truppe. Im Rückspiel erzwang man sich dann aber den Traum vom großen Wurf – Viertelfinaleinzug für den Neuling. Angeführt vom überragenden Jungspund Isco schickte man Porto mit einem nie wirklich gefährdeten 2:0 nach Hause. Und genau dieser Isco wird auch in den zwei Spielen gegen den BVB der Dreh- und Angelpunkt sein. Der Großkreutz von Málaga (im Vorort Benalmádena geboren, dann nach Valencia gegangen und seit zwei Jahren wieder zurück in der Heimat) kann an guten Tagen mit überragenden Einzelaktionen ein Spiel allein entscheiden – siehe sein Traumtor in den Knick gegen die Portugiesen. Ihn auszuschalten sollte für unsere Sechser Priorität haben, denn verliert Isco die Spiellust, kränkelt das Offensivspiel bei Málaga und die Stürmer hängen in der Luft. Mal abgesehen davon wird auch Isco nicht umhin kommen, reichlich Defensivarbeit zu verrichten.
Denn eins ist klar, auch auswärts sollten unsere Young Guns ihr Spiel aufs Parkett bringen und den Gegner laufen lassen. Am Wochenende gewann Málaga nach kleinerer Durststrecke mal wieder ein Ligaspiel beim 3:1-Auswärtserfolg gegen Raya Vallecano. Wie schon erwähnt, die oftmals schwächeren Auftritte in der Primera Division sollten nicht wirklich als Gradmesser dienen, viel eher zeigen die starken Partien in der Champions League, was die Mannschaft leisten kann. Die sympathische Truppe (trotz zweier ehemaliger Roter und einem weggelaufenen Scheich) ist in dieser Saison stark zusammengerückt. Die Finanzkrise hat unfreiwillig ein Kollektiv geformt, dessen letzte große Schlacht auf europäischer Ebene zu schlagen ist – die Financial Fairplay-Sperre fürs internationale Geschäft in der kommenden Spielzeit macht die Liga zum Beiwerk. Ihren großen Traum träumen die Küstenkicker in Europa, so wie unsere Borussen.
Wie Jürgen Klopp schon meinte, wird bei einem Duell zweier Überraschungsmannschaften eine ganz sicher ins Halbfinale einziehen. Bei der Qualität unserer Europapokalhelden sollte es aber keinesfalls arrogant erscheinen, die eigene Favoritenrolle zu deklarieren, weil auch in Schwarz und Gelb jeder vom ganz großen Wurf träumt. Wie die Umsetzung des Traums personell angegangen wird, hängt zum jetzigen Zeitpunkt noch so ein wenig in der Schwebe. Schmelzers Nase, Piszczeks Hüfte, Kubas Leiste und noch ein, zwei Blessuren bei anderen Akteuren lassen die Aufstellung noch nicht klar erscheinen.
Egal wie, die Bühne ist bereitet und das internationale Abenteuer geht weiter. Viertelfinale, das hört sich ja schon irgendwie ziemlich geil an und genau das soll es auch werden. Ein Auswärtssieg im Hinspiel und wir träumen immer weiter, lauter!
Die Aufstellungen:
Málaga C.F.:
Willy - Jesus Gamez, Demichelis, Weligton, Antunes - Toulalan, Iturra - Joaquin, Isco, Julio Baptista - Saviola
Borussia Dortmund:
Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Santana, Schmelzer - Gündogan, S. Bender - Blaszczykowski, M. Götze, Reus - Lewandowski
Schiedsrichter: Eriksson
Tim, 02.03+1.2013
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