

Wegen des großen Andrangs auf die Presseplätze wurde ich in den Oberrang umquartiert, wo ich mich unversehens inmitten der Kolonie der japanischen Kagawa Exklusivberichterstatter wiederfand. Eins wurde gleich deutlich: Verspätungen mag der Japaner nicht. Die Verschiebung des Anpfiffs um 10 Minuten wegen des Verkehrschaos rund um das Müngersdorfer Stadion sorgte für einigen Unmut.
Erste Halbzeit - Dem Rückschlag getrotzt

Auf dem Platz zeigte sich auch gleich die unterschiedliche Ausrichtung der Mannschaften. Während der FC in der eigenen Hälfte massiert stand und auf Konter lauerte, versuchte Borussia von Beginn an, Druck zu erzeugen. Torchancen sprangen aber in den ersten 10 Minuten für keine der Mannschaften heraus. Beide agierten rund um den gegnerischen Strafraum zu unpräzise.
Gleich die erste Gelegenheit nutzte dann aber Novakovic zur Führung. Er schlich sich im Rücken von Subotic frei und köpfte eine weite Flanke von Lanig unhaltbar gegen die Laufrichtung von Roman Weidenfeller. Auch der Dortmunder Keeper sah da alles andere als optimal aus, denn die Flanke war gefühlte Ewigkeiten unterwegs und Weidenfeller kam erst raus, um es sich dann auf halbem Weg wieder anders zu überlegen. Die erste Antwort schickte Lewandowski per Kopf Richtung Rensing, aber dieser Ball konnte den Kölner Keeper nicht in Verlegenheit bringen.
Auf den Tribünen konnte der Kölner Führungstreffer die Kräfteverhältnisse aber nicht ändern. Weiter gab allein der Gästeblock den Ton an. Leider gelang es der Mannschaft nicht, ähnlich dominant aufzutreten. Torchancen blieben Mangelware. Großkreutz und Gündogan versuchten sich erfolglos an Fernschüssen und ansonsten wurde der Kölner Strafraum weiträumig gemieden. Dann schritt Schmelzer zum Freistoß kurz vor der Torauslinie. Er schlug eine wunderbar scharfe Flanke vors Tor, in die Piszczek sprang und den Ball im langen Eck versenkte. Wo war die sagenhafte Schwäche bei Standards geblieben? Woher nahm Schmelzer plötzlich diese Offensivstärke? Hatte man Piszczek schon mal im gegnerischen Strafraum köpfen sehen? All diese Fragen waren egal. Der BVB war wieder im Geschäft. Zu Pippi Langstrumpf präsentierte eine hüpfende Gästeecke dann ein wunderbares Bild in Gelb. Auch die Sitzplätze konnten mit einer hohen Mitmachquote glänzen. Mein japanischer Sitznachbar sang übrigens sämtliche Dortmunder Fangesänge textsicher mit und rastete beim Ausgleichstreffer auch ziemlich unjapanisch aus. Sehr sympathisch.

Dann die vermeintliche Führung für den BVB. Eine lange Flanke von Gündogan wurde von Piszczek zurück vors Tor geköpft, wo Bender den Ball ins Tor wuchtete. Aber leider stand er bei Piszczeks Kopfball knapp im Abseits. Die erhobene Fahne des Linienrichters stoppte den Dortmunder Jubel abrupt. Kurz vor der Pause standen sich Bender und Piszczek nach einer Kagawa Flanke gegenseitig auf den Füßen. Wegen der fehlerhaften Abseitsfalle des FC hätten sie ansonsten freie Bahn zur Führung gehabt. So blieb es beim Unentschieden, was für den FC sicher eher schmeichelhaft war, denn nach dem Ausgleich war Dortmund deutlich überlegen und hatte auch die klareren Chancen.
Als Zwischenfazit zur Stimmung fällt es schwer die Stimmung des Gästeblocks überhaupt zu bewerten. War das wirklich eine überdurchschnittliche Leistung oder wirkte das nur wegen der stummen Heimkurve so? Die Stimmung auf den Kölner Stehplätzen kann nur mit gespenstisch umschrieben werden. Mir ist nicht ganz klar, ob die übrigen Fans sich einem Stimmungsboykott der Wilden Horde angeschlossen haben oder ob eine derartige Nicht-Stimmung zwangsläufige Folge davon ist, wenn die vielgescholtenen Ultras mal die Gesänge verweigern. Dass Dortmunds OB in der Halbzeit die „schöne Atmosphäre“ lobte, kann eigentlich nur an diplomatischer Höflichkeit oder völliger Ahnungslosigkeit liegen. Immerhin schaffte Uli Sierau es, im siebten Versuch einen Fußball ins Publikum zu schießen, da schlummern noch unerkannte Talente. Hoffentlich findet die Fanszene Köln zu ihrem bekannt stimmgewaltigen Support zurück.
Zweite Halbzeit – Die perfekte Welle

Prinz Poldi zeigte nun erste Frusterscheinungen. Erst schlug er eine Flanke ins Nirwana und dann legte er sich mit Subotic an, was mit Gelb bedacht wurde. Sein nächster Flankenversuch wurde von Subotic geblockt und die Kölner forderten vehement Handelfmeter. Als sich die Aufregung noch nicht gelegt hatte stand es plötzlich 1:3. Ein wunderbarer Doppelpass zwischen Kagawa und Blaszczykowski leitete den Treffer ein. Wie Kagawa den Ball per Hacke in den Lauf des durchstartenden Kuba spielte, war eine Augenweide. Blaszczykowski legte dann klug auf seinen Landsmann Lewandowski quer, der entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, nur schwierige Tore zu erzielen, den Ball locker einschob.
Der Rheinländer pflegte nun seine Feindschaft mit dem Mann in Schwarz, blieb aber ansonsten weiter jede Unterstützung der eigenen Mannschaft schuldig. Die deutschen Meister in Gelb standen auf und zeigten, dass erneut Dortmunder Anhänger über nahezu das gesamte Müngersdorfer Stadion verteilt waren. Die Kölner Mannschaft schien sich nun der Leistung ihrer Anhänger anpassen zu wollen und verlor Ball um Ball leichtfertig im Spielaufbau. Der Gästeblock tanzte derweil Walzer oder ließ dem Optimismus freien Lauf: „Und schon wieder Deutscher Meister BVB“.

Unter großem Applaus verließ dann Kevin Großkreutz den Platz. Das hat er auswärts wahrscheinlich auch noch nicht erlebt. Sein Ersatz Ivan Perisic forderte gleich jeden Ball und wurde auch schnell per Kopf gefährlich. Ob er an seinen Defensivschwächen gearbeitet hat, konnte er gegen diese Kölner Mannschaft aber nicht mehr demonstrieren, denn der FC igelte sich nur noch in der eigenen Hälfte ein und konterte nur noch sporadisch und ineffektiv.
Wie man so einen Konter spielt zeigten dann die Borussen und wurden prompt mit dem 4:1 belohnt. Lewandowski eroberte den Ball, Kehl schickte Gündogan steil und dann lieferten Gündogan und Kagawa eine Traumkombination ab. Nach einem wunderbaren Doppelpass schloss Ilkay Gündogan den Angriff mit dem nächsten Treffer ab. Nun machte man sich auf der Haupttribüne auf den Heimweg obwohl noch gut 10 Minuten zu spielen waren. Mit auf den Weg gab es dann noch das 1:5 durch Kagawa nach Vorarbeit von Kuba und Piszczek. Ivan Persisc machte nach einem schönen Pass von Gündogan das Debakel perfekt.

Statistik
FC Köln: Rensing - Brecko, Sereno, Geromel, Eichner - Riether, Lanig - Clemens, Peszko - Novakovic, Podolski
Einwechslungen: 46. Jemal für Eichner, 77. Ishak für Peszko
BVB: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - S. Bender, Gündogan - Blaszczykowski, Kagawa, Großkreutz - Lewandowski

Tore: 1:0 Novakovic (13., Kopfball, Lanig), 1:1 Piszczek (26., Kopfball, Schmelzer), 1:2 Kagawa (47., Rechtsschuss, Piszczek), 1:3 Lewandowski (52., Rechtsschuss, Blaszczykowski), 1:4 Gündogan (79., Linksschuss, Kagawa), 1:5Kagawa (80., Rechtsschuss, Piszczek), 1:6 Perisic (84., Linksschuss, Gündogan)
Gelbe Karte: Podolski
Schiedsrichter: Zwayer (Berlin)
50.000 Zuschauer im ausverkauften Müngersdorfer Stadion
Web 25.03.2012