Serie

Dembowski und der deutsche Schaden

09.12.2011, 17:09 Uhr von:  Redaktion

Eigentlich wäre Dembowski guter Dinge gewesen. Noch am Abend zuvor hatte er im Café King eine zünftige Party gefeiert, die Hinterzimmerbande hatte ihm sogar Kronen besorgt und sein okayer Reichtum würde für ein paar Monate sorgloser Ermittlungen reichen. Wenn ihm auch sein schwerer Kopf ein wenig nervte, und er verkatert wieder einmal Dörte nachhing, so wußte er doch: Auch dieser Tag geht vorbei. Und weniger saufen, würde weniger Schmerzen bedeuten. Trotz seines Katers, trotz der dahinsiechenden Wohnung, trotz seines Liebeskummers und trotz des Ausscheidens aus der Champions League, eigentlich wäre Dembowki guter Dinge gewesen.

Er wäre ohnehin nicht mit der Mannschaft gereist, die Aufgabe war für Redermann reserviert. Mit dem hatte er ohnehin noch ein paar Rechnungen offen. Auch wenn Dembowski Redermann die Reisen nicht geneidet hätte, es war für den Ermittler kein Weltuntergang. Er hatte sich Notizen zum Dortmunder Weg gemacht. Er mochte den Dortmunder Weg. Es ging um Spieler und nicht um Stars. Es ging spätestens nach der Verletzung Benders um Menschen und nicht um Maschinen. Dembowski war damit einverstanden, wenngleich ihm klar war: Die eine oder andere populistische Attacke würde er in „Der Samstag!“ reiten müssen. Sie würden es verschmerzen und einordnen können. Erdung! Bevor sie zu hoch fliegen. Alles kein Problem.

Niemand konnte dem Ermittler etwas verweigern, ihm war ohnehin nie etwas genehmigt worden. „Der Samstag!“ schleppte sich von Ausgabe zu Ausgabe und sämtliche Bemühungen um Pressekarten waren bislang ohnehin an der Pressesprecherwand abgeprallt. „Lernen Sie erst einmal schreiben! Bekommen Sie Ihr Alkoholproblem in den Griff! Hören Sie endlich mit dem Rauchen auf!“ Die Ratschläge waren zahlreich und nicht akzeptabel. Da blieb er kühl, kein Gefühl. Der Ermittler hatte längst seinen Rest gegeben, er hatte sich verausgabt, zwar nicht bis zum Ende seiner Kräfte, aber die sparte er sich für andere Dinge auf.

Der Ermittler wäre also eigentlich guter Dinge gewesen, alles bewegte sich in eine Richtung, der Ärger über den unfähigen Schiedsrichter aus England hatte sich längst verflüchtigt. Dieser hatte seine Rechnung ohne die Konstrukteure gemacht. Sie würden zurückschlagen. Das war längst mit der englischen Division vereinbart. Er schaute sich in seiner Wohnung um, an der Wand das Gruppenfoto vom Konstrukteurstreffen: „Konstrukteure sind keine Verbrecher!“ Das sagte alles. Die wahren Verbrecher waren die, die sich gegen die Konstrukteure wehrten. Davon gab es genug, gegen die galt es zu arbeiten. Mit allen legalen Mitteln, mit allen fiesen Tipps und Tricks aus dem „Ermittler-Handbuch der verbindlichen Freundlichkeit!“. Doch Dembowski hatte es an diesem so schönen Tag, an dem er nichts weiter als seinen Kater auskurieren und seinen okayen Reichtum genießen wollte, die Laune ordentlich verhagelt. Was war passiert?

Rückblende. Direkt nach dem Aus in der Champions League, direkt nach den fatalen letzten Minuten, welche die deutsch-griechischen Beziehungen weiter belasteten, fand der Ermittler ein Bewerbungsschreiben in seinem Postfach. Ein gewisser Sascha Hahnke vertrat in diesem eine recht exklusive Meinung. Der Ermittler liebte exklusive Meinungen. Doch mit der Meinung im Postfach konnte er nichts anfangen, diese Meinung, so war ihm bereits nach einigen Sätzen klar, überstieg sogar den Populismus, den Dembowski in seinen letzten „Der Samstag!“-Kommentaren an den Tag gelegt hatte.

Vielleicht, so dachte Dembowski an diesem verkaterten Morgen, hätte ich in meiner Antwort die nationalistischen Untertöne des Textes nicht weiter rausstellen sollen. Denn da waren kaum welche. Klar, Hahnke konnte man mit ein wenig schlechter Laune, mit ein wenig gesundem Menschenhass, den natürlichen Eigenschaften des Ermittlers also, durchaus unterstellen können, dass er die Mannschaft hier als Vaterlandsverräter brandmarkt. Ohne Frage, zumindest tendierte der Text in die Richtung. Doch am Ende des Tages, dachte sich Dembowski rückblickend, war der Ballspielverein immer noch eine Mannschaft, die international den deutschen Fußball vertrat.

So weit aber hatte er in seiner ersten blinden Wut nicht denken können. Er antwortete Hahnke. Er schrieb: „Lieber Hahnke, Ich kenne Sie nicht und nachdem ich Ihren sogenannten „Text“ überflogen habe, möchte ich Sie auch nicht weiter kennenlernen. Ihr nationalistischer Populismus ödet mich an. Sorgen Sie sich weiter um Deutschland, doch das ist meine Sorge nicht. Verbindliche Grüße: Dembowski! PS: Unsere Meinung über Sie bilden wir in Villons Lästerzungen ab. Denken Sie dran: Unsere Vergangenheit ist Ihre Zukunft ist unsere Gegenwart“ Vielleicht also war Dembowski ein wenig übers Ziel hinausgeschossen, aber er war blau und seitdem er sich in seiner Jugend einmal mit den Worten „Tut mir leid, ich war besoffen“ für größere Verbrechen entschuldigt hatte, ging das zumindest für ihn okay.

Die Antwort von Hahnke kam postwendend. Er würde, so schrieb er, dann einfach in einem renommierten Magazin veröffentlichen. Wer nicht will, erklärte er in gelangweiltem Ton, der habe schon. Und zwar nicht mehr alle Latten auf dem Zaun. Lächelnd hatte der Ermittler die Mail ins Aufbewahren-Fach geschoben. Daran könnte er sich in Zukunft erfreuen, hoffte er. Doch Hahnke machte seine Ankündigung wahr. Verkatert und auf der Café-King-Welle surfend,blätterte Dembowski die donnerstägliche Presse durch und dachte darüber nach, mit dem neu gewonnenen Reichtum eine Person mit dem Pressespiegel zu beauftragen. Er hatte gerade ein Kronen geöffnet, als es ihm verging. Der abgelehnte Artikel hatte es tatsächlich in eines der Magazine geschafft. Dembowski drehte durch. Nicht einmal Reiser, nicht einmal Reiser, nicht einmal Reiser, wiederholt er, hätte sich das getraut. Doch jetzt war es in der Welt. Der Ermittler hatte es nicht verhindern können. Er öffnete noch ein Kronen, zündete sich eine Ernte an, schritt in Richtung Plattensammlung, zog Straight Outta Compton raus und dachte an Dörte.

dembowski, 09.12.2011

dembowski ermittelt täglich hier. die handelnden personen werden im dembowski-universum erklärt.

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