Das Mexiko Stadt Derby (Pumas vs. América)
Tränengas brennt in den Augen, mit Gewalt werden wir zurück in den "Pebetero" gedrängt, Heimat der Ultragruppierung "La Rebel" im Estadio Olímpico. Es ist Sonntag, der 19. August 2007, 14 Uhr nachmittags, das Derby gegen Aguilas América ist soeben 1:1 ausgegangen.
Aber ganz von vorne: Ich heiße Johannes Heitmann, bin 23 Jahre alt und lebe und arbeite seit einiger Zeit in Mexico Stadt. Mein erstes Spiel hier war 2003 Mexiko vs. Brasilien im Estadio Azteca während der “Copa de Oro”. Damals bin ich das erste Mal auf die Fans der UNAM Pumas aufmerksam geworden, weil sie mit unglaublicher Hingabe die Nationalmannschaft unterstützt haben. Am vergangen Wochenende stand nun das langersehnte Derby zwischen den UNAM Pumas und Aguilas América im ausverkauften “Estadio Olímpico” bevor. Ausverkauft bedeutet hier, dass ca. 70.000 der 80.000 Plätze belegt sein werden. Die restlichen Plätze bleiben aus Sicherheitsmassnahmen frei. Die Karte für den “Pebetero” hat mich 9 Euro gekostet. Die Anreise per Metro und Bus gestaltete sich langwierig, so dass ich erst 30 Minuten vor dem Spiel - nach 1,5 Stunden Fahrt durch die Stadt - am Ziel war. Schon auf dem Weg zum Stadion sind immer wieder ganze Polizeistaffeln zu sehen, am Stadion angekommen dann eine Überraschung: Beim Aussteigen aus dem Bus werden wir direkt gefilzt, die Hände gegen den Bus, die Beine gespreizt. Es hat mich an einen schlechten Hollywood-Film erinnert. Die Polizeipräsenz ist gigantisch, ihre Haltung klar: Wer sich auflehnt und zu Gewalt greift, wird sofort verhaftet. Diese Vorsichtsmassnahmen sind durchaus begründet, da es nicht selten nach Ausschreitungen zu Todesfällen gekommen ist. Es ist das Derby und Rivalität zwischen den beiden Clubs ist extrem, der Hass offensichtlich und die Stimmung schon weit vor dem Spiel aufgeheizt. Nach insgesamt drei Polizeikontrollen und einer halbe Stunde Anstehen bin ich pünktlich zum Anpfiff im Stadion. Die Pumas stehen im unteren Drittel der Tabelle schon fast mit dem Rücken zur Wand. América steht im oberen Drittel und war in der Vergangenheit einer der erfolgreichsten Clubs Mexikos. Zum Einlauf der Mannschaften gibt es keine besondere Choreo oder ähnliches zu bewundern. Das Spiel beginnt und schon in der zweiten Minute der Schock: Über eine schöne Kombination gelingt América die Führung. Die Stimmung im Block ist gedrückt, doch schon vier Minuten später schreien Leute vor Glück, Menschen fallen übereinander, das 1:1 ist gefallen. Danach flacht das Spiel ab, doch die Stimmung hält an. Beide Seiten schenken sich nichts, werden die Fans von América lauter, nimmt auch die Lautstärke im “Pebetero” zu. Bei 25 Grad, knallender Sonne und einem kühlen Corona vergeht das Spiel schnell. Schon in der 70. Minute wird per Stadionlautsprecher angekündigt, dass die Ausgänge des “Pebetero” so lange verschlossen bleiben, bis alle Gästefans das Stadion verlassen haben. In der 85. Minute zelebriert “La Rebel” dann wie bei jedem Spiel mit “como no te voy a querer” (wie kann es sein, dass ich dich nicht liebe) ihre Hingabe zum Verein. Eine sehr beeindruckende Vorstellung, da nach kurzer Zeit niemand mehr sitzt und es das ganze Stadion mitreißt. Dann ist Schluss und zum Abpfiff singen ca. 60.000 Fans der Pumas mit ausgestreckter Faust das Vereinslied. Wieder bin ich beeindruckt.
Dann folgen die unschönen Szenen. Schon zuvor hatte mir ein Mexikaner auf meine Frage, wie es hier mit den Hooligans sei, eine einfache, erschreckende Antwort gegeben: “Nein, reine Hooligans haben wir hier nicht. Aber du wirst sehen, jetzt unterstützen wir unseren Verein, aber wenn wir das Stadion verlassen, sind wir die Hooligans”. So werden wir unter Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken zurück im Block gehalten und können ihn erst nach einer geschlagenen halben Stunde verlassen. Ausserhalb des Stadions scheint die Polizei die Lage im Griff zu haben. Ich verabschiede mich von ein paar Fans nach Austausch von Adressen und nehme den nächsten Bus Richtung Metro-Station. Am nächsten Tag erfahre ich aus der Zeitung, dass es trotz 5.000 Polizisten zu Straßenschlachten zwischen den Fangruppen gekommen ist. Zum Glück gab es dieses Mal nur Verletzte. Schwatzgelb.de bedankt sich bei Johannes Heitmann für den Bericht aus Mexico.
Geschrieben von Johannes Heitmann
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